Mandanteninformation für
Steuerrecht Arbeitnehmer
Jahreswechsel 2021/2022
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1. Anhebung des Grundfreibetrags und Ausgleich der kalten Progression
Mit der Anhebung des Grundfreibetrags soll die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden.
Hintergrund
Aufgrund der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Anpassung des vorgesehenen Erhöhungsbetrags beim Grundfreibetrag für 2022 ist die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entsprechend aktiv geworden. Die Änderung ist über den Finanzausschuss im Bundestag erfolgt.
Das ändert sich ab 1.1.2022
Jahr 2022
Grundfreibetrag 9.984 EUR
Erhöhung gegenüber Vorjahr 288 EUR
Zum Ausgleich der kalten Progression werden die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs für 2022 nach rechts verschoben. Danach ist etwa der Spitzensteuersatz von 45 % erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 278.732 EUR (2022) zu zahlen.
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2. Das sind die Sachbezugswerte für 2022
Die amtlichen Sachbezugswerte werden jährlich an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst. Auch für das Jahr 2022 gibt es deshalb neue Werte.
Das ändert sich ab 1.1.2022
Der Monatswert für Verpflegung wird ab 1.1.2021 auf 270 EUR angehoben. Damit sind für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten
• für ein Frühstück 1,87 Euro
• für ein Mittag- oder Abendessen 3,57 Euro
anzusetzen.
Ab 1.1.2022 wird der Wert für Unterkunft oder Mieten 241 EUR betragen. Der Wert der Unterkunft kann auch mit dem ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Tabellenwert nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Kalendertäglich beträgt der Wert ab dem 1.1.2022 8,03 EUR.
Hinweis
Sachbezüge sind 2022 in Höhe der neu festgesetzten Werte einheitlich sowohl steuer- als auch beitragspflichtig in der Sozialversicherung.
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3. Verpflegungsmehraufwand im Ausland: Keine neuen Pauschalen für 2022
Im Gegensatz zu den Vorjahren werden keine neuen Pauschbeträge zu Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten bei Auslandsreisen 2022 veröffentlicht werden.
Hintergrund
Die Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich einer auswärtigen Tätigkeit im Ausland können nicht mit den tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden. Steuerlich dürfen bei einer Auswärtstätigkeit die Verpflegungsmehraufwendungen nur in Höhe der jeweils gültigen Pauschalen geltend gemacht bzw. steuerfrei erstattet werden.
Bei mehrtägigen Reisen ins Ausland hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Verpflegungspauschale. Bei 1-tägigen Reisen ins Ausland wird eine Verpflegungspauschale nur gewährt, wenn die Abwesenheit mehr als 8 Stunden beträgt. Es kommt darauf an, wann der Arbeitnehmer seine vorübergehende Auswärtstätigkeit im Inland beginnt, nach dem Grenzübertritt als Auslandsreise fortsetzt und am Ende der Reise wieder ins Inland zurückkehrt.
Auslandsreisekostensätze gelten ab 1.1.2021 und auch 2022
Steuerpflichtige haben seit dem 1.1.2021 die geänderte Ländergruppeneinteilung bei den Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten in Auslandsfällen zu berücksichtigen.
Die seit dem 1.1.2021 geltenden Pauschalen für betrieblich veranlasste Auslandsreisen gelten auch für 2022.
Dezember 2021
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Gezahlte Kirchensteuer: Wann kommt der Sonderausgabenabzug in Betracht?
Wird der Arbeitgeber für Kirchensteuerbeträge in Haftung genommen und zahlt der Arbeitnehmer diese aufgrund eines Rückgriffsanspruchs an den Arbeitgeber zurück, kann der Arbeitnehmer die entsprechenden Beträge nicht als Sonderausgaben geltend machen.
Hintergrund
Der Kläger erzielt als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Finanzamt stellte fest, dass dem Kläger im Jahr 2014 eine Sachzuwendung zugeflossen war. Die daraus resultierende Nacherhebung von Lohnkirchensteuer erfolgte im Rahmen der Arbeitgeberhaftung durch einen an die GmbH gerichteten Haftungsbescheid.
Die GmbH zahlte die nacherhobenen Beträge. Für die Nachzahlung und für die Kirchensteuer nahm sie den Kläger in Regress. Dieser leistete eine entsprechende Zahlung an die GmbH. Der Kläger machte die an die GmbH gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Zahlungen jedoch nicht als Sonderausgaben. Denn der Abzug setzt voraus, dass der Zahlende als Steuerpflichtiger für die Kirchensteuer in Anspruch genommen wurde.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Kirchensteuern sind nur solche Geldleistungen, die von den Religionsgemeinschaften von ihren Mitgliedern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erhoben werden. Abzugsberechtigt ist nur der Steuerschuldner, soweit er die Kirchensteuer tatsächlich getragen hat. Dementsprechend ist auch nur der gesetzliche Kirchensteuerschuldner zum Abzug der Kirchensteuer berechtigt. Der Steuerpflichtige muss die Kirchensteuer selbst schulden, wenn sie als Sonderausgaben abzugsfähig sein sollen.
Im vorliegenden Fall leistete der Kläger die Zahlung nicht auf seine persönliche Kirchensteuerschuld, sondern aufgrund des Haftungsbescheid an die GmbH. Der Kläger haftet als Geschäftsführer der GmbH und damit als deren gesetzlicher Vertreter auch für nicht abgeführte Lohnkirchensteuer, die auf seinen eigenen Arbeitslohn entfällt. Die Pflicht zur Entrichtung der Lohnsteuer obliegt dem Arbeitgeber, also der vertretenen Gesellschaft. Der Kläger leistete auf die Entrichtungsschuld des Vertretenen, d.h. auf eine fremde Steuerschuld, für deren Entrichtung aus den verwalteten Mitteln der Kläger als Geschäftsführer zu sorgen hat. Eine Zahlung auf seine persönliche Kirchensteuerschuld leistete der Kläger demnach nicht.
November 2021
- Fahrtenbuchmethode: Treibstoffverbrauch darf geschätzt werden
Zeigt eine betriebliche Zapfsäule weder die abgegebene Treibstoffmenge noch den Preis an, dürfen die Treibstoffkosten eines Dienstwagens im Rahmen der Fahrtenbuchmethode aus dem geschätzten Verbrauch des Fahrzeugs abgeleitet werden.
Hintergrund
Ein Arbeitgeber versteuerte die private Dienstwagennutzung seiner Arbeitnehmer nach der Fahrtenbuchmethode. Die hierfür zugrunde gelegten Gesamtkosten der Fahrzeuge hatte er zwar weitgehend durch Belege nachgewiesen, die angefallenen Treibstoffkosten konnte er aber nicht einzeln belegen. Denn die Fahrzeuge waren an einer betrieblichen Zapfsäule betankt worden, die weder die abgegebene Treibstoffmenge noch den Preis angezeigt hatte. Der Arbeitgeber griff daher zu einer Schätzung der Treibstoffkosten, indem er aus seinen Einkaufsrechnungen den durchschnittlichen Treibstoffpreis errechnete und den Verbrauch der Fahrzeuge den Herstellerangaben entnahm.
Das Finanzamt erachtete die Fahrtenbuchmethode als nicht anwendbar, weil die Gesamtkosten der Fahrzeuge nicht belegmäßig nachgewiesen waren. In der Folge führte es die Privatnutzungsversteuerung nach der 1 %-Methode durch.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die günstigere Fahrtenbuchmethode vorliegend anwendbar war.
Die Finanzrichter waren der Ansicht, dass neben einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch auch der erforderliche Belegnachweis für die Gesamtkosten der Kfz vorlag. Die Schätzung des konkreten Treibstoffverbrauchs stellte nach Gerichtsmeinung nur einen geringfügigen Mangel dar, der nicht zur Verwerfung der Fahrtenbuchmethode führte. Dem erforderlichen Nachweis der Aufwendungen wurde dadurch Genüge getan, dass der Arbeitgeber die Einkaufsrechnungen für den Treibstoff vorgelegt und den Treibstoffverbrauch aus dem höchsten vom Fahrzeughersteller angegebenen Verbrauch pro Kilometer abge-leitet hatte.
Oktober 2021
- Mahlzeit vom Arbeitgeber: Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne erste Tätigkeitsstätte?
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung, werden die Verpflegungspauschalen gekürzt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.
Hintergrund
A war im Jahr 2014 mehrere Monate als Offizier auf Schiffen tätig. An Bord stellte ihm der Arbeitgeber unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. An "Hafentagen" nahm A die zur Verfügung gestellte Bordverpflegung teilweise nicht in Anspruch. An einzelnen Tagen (ca. 10 Tage) musste sich die Mannschaft im Hafen selbst versorgen.
Der Arbeitgeber behandelte den Sachbezug der Mahlzeitengestellung als steuerfrei.
A machte für die 169 Tage, in der er auf See tätig war, Verpflegungsmehraufwand von 24 EUR täglich geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab und verwies auf die Kürzungsregelung in § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG.
Das Finanzgericht gab der Klage nur zu einem geringen Teil statt. Es erkannte die Verpflegungspauschale nur für die 10 Tage an, an denen A sich im Hafen selbst versorgen musste. Das Finanzgericht war der Auffassung, dass auch bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte eine Kürzung der Verpflegungspauschalen vorzunehmen ist.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof sah dies genauso und wies die Revision des A zurück. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt, steht ihm für die Tage der Mahlzeitengestellung keine Verpflegungspauschale zu.
Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, hat er zur Abgeltung seiner Mehraufwendungen Anspruch auf die nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale.
Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gilt dies entsprechend. Denn liegen die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit. Dementsprechend steht A dem Grunde nach die Verpflegungspauschale zu, auch wenn er als auf See tätiger Offizier keine erste Tätigkeitsstätte hatte und ein Schiff keine ortsfeste Einrichtung darstellt.
Die Verpflegungspauschale ist jedoch im Hinblick auf die vom Arbeitgeber des A zur Verfügung gestellten Mahlzeiten an Bord zu kürzen. Dies gilt auch für den Arbeitnehmer, der keine erste Tätigkeitsstätte hat, soweit ihm eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.
Die Neuregelung des Reisekostenrechts ab 2014 bezweckt eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage: Einerseits Verzicht auf die Besteuerung des geldwerten Vorteils bei Mahlzeitengestellung, andererseits gleichzeitige Kürzung des Werbungskostenabzugs. Dabei wird typisierend davon ausgegangen, dass dem Arbeitnehmer für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Dementsprechend werden die Verpflegungspauschalen gekürzt. Mit der Neuregelung sollte der Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen bei Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber für jede Form der auswärtigen beruflichen Tätigkeit entfallen.
- Sammelstelle: Was bedeutet "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen?
Für ein "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen desselben Ortes muss der Arbeitnehmer nicht an seinen sämtlichen Arbeitstagen den vom Arbeitgeber festgelegten Ort aufsuchen. Jedoch reicht ein "typischerweise fahrtägliches" Aufsuchen des Sammelpunkts nicht aus.
Hintergrund
A ist bei einem Bauunternehmen als Baumaschinenführer angestellt. Er fuhr jeweils von seiner Wohnung aufgrund einer betriebsinternen Weisung zunächst zum Betriebssitz des Arbeitgebers (Sammelpunkt) und wurde von dort mit einem Sammelfahrzeug des Arbeitgebers an die jeweilige Baustelle gefahren. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu Fernbaustellen, an denen A übernachtete. Die Einsätze auf den Fernbaustellen dauerten i. d. R. die gesamte Woche.
A machte die Kosten für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem Sammelpunkt mit 0,30 EUR je gefahrenem km geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen nur mit der Entfernungspauschale in Höhe 0,30 EUR je Entfernungs-km.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. A habe den von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort "typischerweise arbeitstäglich" aufgesucht.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des vom Arbeitgeber bestimmten Orts oder Gebiets kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen erfordert.
Ein Arbeitnehmer kann für die Fahrten zu dem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Ort lediglich die Entfernungspauschale in Anspruch nehmen, wenn er keine erste Tätigkeitsstätte hat und nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen (sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen) zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat (sog. Sammelpunkt).
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hatte A keine erste Tätigkeitsstätte, denn es fehlte an einer Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung durch den Arbeitgeber. Auch fehlte eine arbeitsrechtliche Festlegung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche 2 volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Denn A sollte am Betriebssitz bzw. Sammelpunkt nicht als Baumaschinenführer tätig werden.
Das Finanzgericht hatte ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunkts allein aufgrund der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des A bejaht. Der Bundesfinanzhof ist dagegen der Ansicht, dass durch den Zusatz "typischerweise arbeitstäglich" klargestellt werden sollte, dass die Regelung lediglich für die Berufsgruppen gilt, die im Normalfall arbeitstäglich, z. B. an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort ein Fahrzeug übernehmen oder im Rahmen der Sammelbeförderung abgeholt werden.
Nach dem Wortlaut "typischerweise" ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet ausnahmslos aufzusuchen hat. Vielmehr erfordert das Gesetz nur, dass er den Ort nach der Anweisung "typischerweise arbeitstäglich" aufzusuchen hat.
Stand von vornherein fest, dass A nicht nur auf 1-tägigen Baustellen, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt wird, würde kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes vorliegen. Denn dann hätte von vornherein festgestanden, dass A den Betriebssitz nur an den Fahrtagen aufsuchen sollte. Ein nur typischerweise fahrtägliches Aufsuchen ist nicht ausreichend.
Wurde A dagegen grundsätzlich nur tageweise auf lokalen Baustellen und nur ausnahmsweise auf Fernbaustellen eingesetzt, wäre der Tatbestand des typischerweise arbeitstäglichen Aufsuchens erfüllt. Denn ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen setzt nur voraus, dass dies i. d. R. zu erfolgen hatte, ohne dass ein ausnahmsloses Aufsuchen erforderlich wäre.
Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dieses muss nun feststellen, ob A regelmäßig oder nur ausnahmsweise auch auf Fernbaustellen tätig war.
September 2021
- Häusliches Arbeitszimmer: Ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig?
Wer seine selbst genutzte Eigentumswohnung innerhalb von 10 Jahren wieder verkauft, muss den Veräußerungsgewinn nicht versteuern. Das gilt auch dann, wenn in der Wohnung ein Raum als häusliches Arbeitszimmer beruflich genutzt wurde.
Hintergrund
Die Klägerin ist Lehrerin. Sie verkaufte im Jahr 2017 eine Eigentumswohnung, die sie 2012 erworben hatte. Sie machte im Jahr 2017 wie auch in den Vorjahren Aufwendungen für ein in der Wohnung liegendes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Die Kosten erkannte das Finanzamt jeweils bis zum Höchstbetrag von 1.250 EUR an.
Das Finanzamt berücksichtigte für 2017 den aus der Veräußerung resultierenden, anteilig auf die Grundfläche des häuslichen Arbeitszimmers entfallenden Veräußerungsgewinn als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Das Gericht war der Ansicht, dass das häusliche Arbeitszimmer nicht den Begriff des Wirtschaftsguts erfüllt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Finanzgerichtsurteil an und entschied, dass das häusliche Arbeitszimmer unter "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" fällt. Eine Besteuerung der anteiligen Fläche des Arbeitszimmers ist demnach ausgeschlossen. Insoweit liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor.
Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt einen Lebenssachverhalt, der durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit sowie die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichnet ist. Für ein in die häusliche Sphäre eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt somit schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Der Umfang der Wohnnutzung ist nicht erheblich, da das Gesetz in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze enthält. Dem entsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um typisierend davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.
Aus dem Kriterium der Ausschließlichkeit folgt nichts anderes. Denn dieses Merkmal bezieht sich nur auf die zeitliche, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts (hier Wohnung einschließlich Arbeitszimmer).
In der Gesetzesbegründung wird lediglich auf die Selbstnutzung und deren Aufgabe (z. B. wegen Arbeitsplatzwechsels) Bezug genommen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich zudem entnehmen, dass sich – etwa im Falle der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung – die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken für die Gewährung der anteiligen Steuerbefreiung nicht auf das gesamte Objekt erstrecken muss. Wenn der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer unter diesen Prämissen von der Begünstigung hätte ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich zu regeln.
- Wann eine Erzieherin ein häusliches Arbeitszimmer absetzen kann
Eine Erzieherin kann die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend machen, wenn sie den entsprechenden Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke nutzt. Unerheblich ist, ob das häusliche Arbeitszimmer für ihre Erzieher-Tätigkeit erforderlich ist.
Hintergrund
Die Klägerin war als Erzieherin beschäftigt und hatte sich zu Hause ein Arbeitszimmer eingerichtet. Dies war nach ihren Angaben für ihre Tätigkeit als Erzieherin zwingend notwendig, um Vor- und Nachbereitungsarbeiten zu erledigen. Diese Arbeiten konnten nicht während der Dienstzeit abgeleistet werden, was der Dienstherr bestätigte. Ein geeigneter Arbeitsplatz, der nach den Dienstzeiten für diese Tätigkeiten hätte genutzt werden können, stand nicht zur Verfügung. Der Arbeitsplatz in der Kindertagesstätte war objektiv für die neben der Betreuung der Kinder gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten (Schreiben von Einschätzungen und Berichten) und der freiwillig erbrachten Tätigkeiten (Vorbereitung von Aktivitäten in der Kita) nicht geeignet. Eine solche Tätigkeit, die einer erheblichen Konzentration bedurfte und mit Schreibarbeit verbunden war, konnte nicht während der Betreuung von Kindern durchgeführt werden. Auch stand der Arbeitsplatz in der Kita nur zu den regulären Öffnungszeiten zur Verfügung.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Klägerin in den Räumen der Kindertagesstätte ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hatte. Die Klägerin hätte die von ihr dargelegten Arbeiten (Vorbereitung von Bastelarbeiten, Gestaltungsübungen, Elterngespräche sowie das Erstellen von Entwicklungsberichten) zwar außerhalb der Dienstzeiten, jedoch am Arbeitsplatz erledigen können. Das Arbeitszimmer war somit nicht erforderlich.
Entscheidung
Das Finanzgericht erteilte der Auffassung des Finanzamts eine Absage und urteilte zugunsten der Klägerin. Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen. Der andere Arbeitsplatz steht allerdings nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob der - an sich vorhandene - andere Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht.
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, stand der Klägerin in der Kindertagesstätte kein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung. Ein büromäßig ausgestatteter Arbeitsplatz, an dem sie Schuleignungsprofile von den von ihr betreuten Kinder sowie Vor- und Nachbereitungsarbeiten durchführen konnte, lag nicht vor. Die Kindertagesstätte verfügte lediglich über einen Computer, der sich im Dienstzimmer der Leiterin des Kindergartens befand und von den Erziehern ggf. mitbenutzt werden durfte. Räumlichkeiten, in denen Bastelarbeiten vorbereitet oder Portfolios zusammengestellt werden konnten, waren nicht vorhanden. Somit war es der Klägerin in der Kindertagesstätte mit den vorhandenen und zugänglichen dienstlichen Vorrichtungen nicht möglich, die objektiv erforderlichen Tätigkeiten, die über die reine Betreuung von Kindern hinausgehen und mit ihrem Beruf verbunden sind, durchzuführen. Um ihrer beruflichen Tätigkeit umfassend nachzukommen, war sie deshalb auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Auf die Erforderlichkeit kam es nicht an.
- Warum Kinderbetreuungskosten um Arbeitgeberzuschüsse zu kürzen sind
Wer Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben geltend macht, muss diese um einen steuerfreien Kindergartenzuschuss des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 33 EStG kürzen. In Höhe des Zuschusses ist also kein Sonderausgabenabzug möglich.
Hintergrund
Die Kläger zahlten für den Kindergartenbesuch ihrer 5-jährigen Tochter einen Betrag von 926 EUR, den sie als Sonderausgaben geltend machten. Der Vater erhielt von seinem Arbeitgeber einen steuerfreien Kindergartenzuschuss i. H. v. 600 EUR.
Das Finanzamt kürzte die Kindergarten-Aufwendungen um diesen Zuschuss und berücksichtigte lediglich den verbleibenden Betrag von 326 EUR mit 2/3.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Denn wegen des steuerfreien Zuschusses waren die Kläger nur i. H. v. 326 EUR endgültig belastet.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgte den Argumenten von Finanzamt und Finanzgericht und entschied, dass die Kinderbetreuungskosten um die steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 33 EStG zu kürzen waren.
Nur solche Ausgaben dürften als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist. Der Grund für den Sonderausgabenabzug von Kinderbetreuungskosten liegt in der wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen. Hiervon ausgehend sind Aufwendungen vom Abzug ausgeschlossen, soweit sie dem Steuerpflichtigen aufgrund einer zweckgebundenen steuerfreien Leistung ersetzt werden und damit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Ergebnis nicht mindern. Der Kindergartenzuschuss reduziert den Aufwand und damit die wirtschaftliche Belastung.
Die Kläger waren der Ansicht, dass es für Kinderbetreuungskosten an einer Regelung wie für Vorsorgeaufwendungen fehlt. Diese sind nur insoweit abziehbar, als sie nicht in Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Der Bundesfinanzhof weist dieses Argument zurück. Da der Sonderausgabenabzug eine wirtschaftliche Belastung voraussetzt, bedarf es hier keiner solchen besonderen Regelung. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, dieses Abzugsverbot generell auf Sonderausgaben zu erstrecken, obwohl der zugrunde liegende Rechtsgedanke, einen doppelten Steuervorteil zu vermeiden, bei Sonderausgaben gelten sollte. Er hat vielmehr über den Begriff der "Aufwendungen" und der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastung die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs selbst geregelt, um so Doppelbegünstigungen zu vermeiden. Soweit daher aus dem Fehlen vergleichbarer Vorschriften gefolgert wird, die Verwendung steuerfreier Einnahmen steht dem Sonderausgabenabzug nicht entgegen, gilt dies jedenfalls dann nicht, wenn die steuerfreien Einnahmen gerade für die den Sonderausgaben zugrunde liegenden Ausgaben bestimmt waren.
Steht fest, dass der Zuschuss zweckentsprechend für die Betreuungskosten verwendet wurde, schließt dies zwangsläufig "Aufwendungen" in Höhe des steuerfreien Zuschusses und damit den Sonderausgabenabzug aus.
Juli 2021
- Erste Tätigkeitsstätte: Wenn der Arbeitnehmer den Büroraum selbst anmietet
Mietet ein Arbeitnehmer selbst einen Büroraum an, in dem er seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, kann es sich dabei trotzdem um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handeln. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung die Nutzung der Einrichtung durch den Arbeitnehmer bestimmen kann.
Hintergrund
Der Kläger G ist als Gerichtsvollzieher bei einem Amtsgericht Y beschäftigt, das 78 km vom Wohnort des G entfernt liegt. G wird im Gerichtsgebäude kein Büro zur Verfügung gestellt. An seinem Amtssitz beim Amtsgericht Y muss G auf eigene Kosten ein Büro unterhalten. G hat dazu mit weiteren Kollegen ein Gemeinschaftsbüro angemietet, in dem er einen Büroraum an 2 Wochentagen für 2 Stunden nutzt.
G machte für das Jahr 2015 die Fahrtkosten zum AG Y nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.
Das Finanzgericht wies die Klage ab, da G dienstrechtlich zum Amtsgericht Y zugeordnet und zum Abholen der Vollstreckungsaufträge bei der dortigen Verteilerstelle verpflichtet war.
Entscheidung
Die Revision des G hatte keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied, dass die von G geltend gemachten Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind. Seine erste Tätigkeitsstätte hatte G in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts Y sowie in dem von ihm angemieteten Geschäftszimmer in Y.
Erste Tätigkeitsstätte ist u.a. die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Eine Einrichtung des Arbeitgebers liegt vor, wenn sie ihm zuzurechnen ist. Dabei können mehrere für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen eine erste Tätigkeitsstätte darstellen, wenn sie räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers stehen. Das kann auch bei einer Einrichtung, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner Eigentümerstellung, seines obligatorischen oder dinglichen Rechts für die berufliche Tätigkeit nutzt, der Fall sein, soweit der Arbeitgeber kraft seines arbeits- oder dienstrechtlichen Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung bestimmenden Einfluss auf die Nutzung der Einrichtung für seine betrieblichen Zwecke ausüben kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Hiervon ausgehend befand sich die erste Tätigkeitsstätte des G in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts Y sowie außerdem in dem von G angemieteten Geschäftszimmer. Neben dem Dienstgebäude des Arbeitgebers gehört auch das von G angemietete Gemeinschaftsbüro zu der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers. Auch wenn G das Gemeinschaftsbüro aus eigenem Recht für seine berufliche Tätigkeit nutzt, ist es gleichwohl aufgrund der öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses dem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber als betriebliche Einrichtung zuzurechnen. Denn die Ausstattung des Geschäftszimmers ist im Einzelnen geregelt und wird vom Amtsgericht Y geprüft. Die Dienstgebäude des Amtsgerichts Y und das angemietete Büro des G stehen in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Sie stellen daher eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar. G war dieser Tätigkeitsstätte nach den dienstrechtlichen Vorschriften zugeordnet und wurde dort mit der Tätigkeit im Büro und dem Abholen der Vollstreckungsaufträge beim Amtsgericht Y in dem für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte hinreichenden Umfang tätig.
Juni 2021
- Arbeitnehmerentsendung: Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte?
Wird ein Arbeitnehmer in das Ausland entsendet, befindet sich die erste Tätigkeitsstätte an der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens, der der Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist.
Hintergrund
Der Ehemann A war im Management bei einem Automobilhersteller in Wolfsburg angestellt (Heimatgesellschaft). Im Jahr 2013 schloss er mit der Heimatgesellschaft einen Entsendevertrag, nach dem er – vorbehaltlich einer Verlängerung – für 3 Jahre eine Tätigkeit in den USA (Gastgesellschaft) übernehmen wird. Das Arbeitsverhältnis mit der Heimatgesellschaft wurde für diese Zeit "ruhend gestellt". Der Entsendevertrag sah vor, dass A mit der Gastgesellschaft einen lokalen Arbeitsvertrag schließt. Am Arbeitsplatz unterlag er den Regeln der Gastgesellschaft.
Nach dem lokalen Arbeitsvertrag erhielt A Zuschüsse für die Wohnungskosten in den USA, für Heimflüge (Flugbudget) und für Möbelmiete.
A trat die Stelle in den USA im Sommer 2013 an. Seine Ehefrau B begleitete ihn dabei. Die Wohnung in Deutschland behielten sie bei.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Arbeitslohn des A aus den USA in voller Höhe in die Berechnung des Steuersatzes nach dem Progressionsvorbehalt einzubeziehen ist. Die erste Tätigkeitsstätte des A habe sich in den USA befunden, sodass keine auswärtige Tätigkeit vorlag. Dorthin hatte sich der Lebensmittelpunkt der Eheleute verlagert. Der Arbeitslohn kann nicht um die Zuschüsse gemindert werden. Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied ebenfalls, dass sich die erste Tätigkeitsstätte des A im Werk der Gastgesellschaft in den USA befand. Dementsprechend war A in den USA nicht auswärtig tätig. Somit sind keine abziehbaren Reisekosten entstanden und der Arbeitslohn ist nicht um steuerfreie Werbungskostenerstattungen zu mindern.
Die Einnahmen des A aus seiner Tätigkeit in den USA konnten nicht in Deutschland, sondern nur in den USA besteuert werden. Sie unterlagen jedoch in Deutschland dem Progressionsvorbehalt. Der Progressions-Steuersatz ermittelt sich nach dem zu versteuernden Einkommen, das sich ergäbe, wenn die ausländischen Einkünfte der deutschen Besteuerung unterlägen. Diese Einkünfte sind daher nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Danach liegen wegen der ersten Tätigkeitsstätte in den USA keine als Werbungskosten abziehbare Reisekosten vor.
Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Diese Voraussetzungen sind bei dem Werk der Gastgesellschaft in den USA erfüllt. Das Werk ist eine ortsfeste Einrichtung. Es liegt eine Einrichtung des Arbeitgebers des A vor, denn A war mit der Gastgesellschaft ein (befristetes) Arbeitsverhältnis eingegangen. A war in den Betrieb der Gastgesellschaft eingegliedert, erbrachte ihr gegenüber Arbeitsleistungen und bezog von ihr Arbeitslohn. A war aufgrund des mit der Gastgesellschaft vereinbarten lokalen Arbeitsvertrags deren Werk zugeordnet.
Die Zuordnung erfolgte dauerhaft. Sie sollte für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses Bestand haben.
Das Arbeitsverhältnis mit der Heimatgesellschaft war ruhend gestellt. Daraus ergaben sich keine arbeitsrechtlichen Weisungen in Bezug auf eine erste Tätigkeitsstätte mehr. Die Arbeitgeberstellung der Heimatgesellschaft war nur subsidiär.
- Pauschale Kilometersätze: Nur für Fahrten mit dem Pkw
Wer für seine Dienstreisen mit der Bahn fährt oder das Flugzeug nutzt, kann nur die tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten ansetzen. Ein Ansatz der pauschalen Kilometersätze kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht.
Hintergrund
X war im Jahr 2014 als Bundesbetriebsprüfer bundesweit im Einsatz. Er setzte für seine Dienstreisen die Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz an, d.h. für die Reisen mit Bahn oder Flugzeug 0,20 EUR/km und für eine Reise mit dem Pkw 0,30 EUR/km. Hiervon setzte er die jeweilige Erstattung durch den Dienstherrn ab. Die Kosten für die Reisen mit Bahn oder Flugzeug wurden in Höhe der tatsächlichen Kosten und für die Reise mit dem Pkw i. H. v. 0,20 EUR/km erstattet. Die Differenz zwischen den ausgezahlten Erstattungen und den pauschalen Kilometersätzen (Wegstreckenentschädigungen) machte X mit rund 3.000 EUR als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt lehnte den Werbungskostenabzug ab und berücksichtigte lediglich den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Wegstreckenentschädigungen nach dem Bundesreisekostengesetz betrifft seiner Ansicht nach nur die dort genannten Fahrzeuge (insbesondere Pkw). Für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel können die pauschalen Kilometersätze nicht angesetzt werden.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgt der Beurteilung des Finanzamts und des Finanzgerichts und entschied, dass für die mit Bahn bzw. Flugzeug durchgeführten Reisen nicht die pauschalen Kilometersätze, sondern die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen sind.
Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen können wahlweise die pauschalen Kilometersätze angesetzt werden, die im Bundesreisekostengesetz für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentschädigung festgesetzt sind. Die Wegstreckenentschädigung betrifft Fahrten mit Kraftfahrzeugen oder mit nicht regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln.
Eine Wegstreckenentschädigung für Fahrten mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln (Bahn, Flugzeug, Straßenbahn) wird dagegen nicht gewährt. Vielmehr werden anstelle der Wegstreckenentschädigung die tatsächlich entstandenen Fahrt- oder Flugkosten (teilweise begrenzt auf die niedrigste Beförderungsklasse) erstattet. Regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel in diesem Sinn sind insbesondere die dem allgemeinen Personenverkehr dienenden Verkehrsmittel (Bahn, Flugzeug). Das Bundesreisekostengesetz unterscheidet damit einerseits zwischen der Fahrt- und Flugkostenerstattung bei der Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel und andererseits der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung von Kraftfahrzeugen oder anderen motorbetriebenen Fahrzeugen.
Hiervon ausgehend steht X nur für die mit dem Pkw durchgeführten Dienstreisen der Werbungskostenabzug in Höhe der Differenz zwischen der gewährten Erstattung und dem Ansatz von 0,30 EUR als höchster Wegstreckenentschädigung zu. Der Betrag von 51 EUR wirkt sich aufgrund des höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrags (1.000 EUR) jedoch nicht aus.
Mai 2021
- Schul- und Therapiehund: Welche Aufwendungen sind abzugsfähig?
Schafft ein Lehrer einen sog. Schulhund an, kann er die Aufwendungen dafür bis zu 50 % als Werbungskosten geltend machen, wenn der Hund bei einer 5-tägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird. Die Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund sind dagegen grundsätzlich in voller Höhe abziehbar.
Hintergrund
In der Schulkonferenz einer Realschule wurde beschlossen, einen Therapiehund zur Umsetzung der tiergestützten Pädagogik anzuschaffen. Lehrerin L erwarb daraufhin zum Preis von 1.600 EUR eine Hündin und setzte diese im Rahmen des Schulhundprogramms nahezu arbeitstäglich im Unterricht ein.
L machte für die Jahre 2014 bis 2016 Aufwendungen zwischen 900 EUR und 7.500 EUR für den Hund als Werbungskosten geltend. Sie berücksichtigte diese Kosten: Abschreibung auf 8 Jahre, Tierhaftpflichtversicherung, Futtermittel, Hundepflege, Tierarzt, Hundeschule sowie Ausbildung als Therapiehund einschließlich Fahrtkosten.
Das Finanzamt lehnte den Abzug ab, da die Aufwendungen nicht ausschließlich beruflich veranlasst waren und eine Abgrenzung zum privaten Bereich nicht möglich war.
Das Finanzgericht dagegen berücksichtigte die Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund in voller Höhe und die übrigen Aufwendungen zu einem Drittel.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die allgemeinen, laufenden Aufwendungen für einen Schulhund zum Teil und die besonderen Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund in voller Höhe als Werbungskosten anzuerkennen sind.
Beruhen Aufwendungen nicht nur auf privaten, sondern auch auf beruflichen Umständen, kommt eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht, wenn sich der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt. Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen.
Den Werbungskostenabzug begründende Arbeitsmittel sind Gegenstände, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen. Eine geringfügige private Mitnutzung ist unschädlich. Bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung genutzt werden können, ist der tatsächliche Verwendungszweck entscheidend. Diese Grundsätze gelten auch für die Nutzung von Tieren. Bei einem Hund, der – wie im vorliegenden Fall – als Haustier im Haushalt lebt und damit in nicht unerheblichem Umfang auch privat Verwendung findet, handelt es sich dementsprechend nicht um ein Arbeitsmittel. Dies gilt auch, wenn der Anlass für die Anschaffung im beruflichen Bereich gelegen haben sollte und das Tier für eine private Nutzung nicht angeschafft worden wäre.
Bei regelmäßig 5 Arbeitstagen pro Woche war die berufliche Nutzung des Hundes durch L in der Schule nicht von untergeordneter Bedeutung. Deshalb waren die laufenden Aufwendungen für die Haltung (AfA, Futter, Pflege usw.) aufzuteilen. Der Bundesfinanzhof hält es bei einer erheblichen beruflichen Nutzung eines Schulhundes für vertretbar, bis zu 50 % der Aufwendungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen.
Anders als der Besuch einer allgemeinen Hundeschule diente die Therapiehundeausbildung dem Erlernen spezieller Fähigkeiten, um den Hund im Rahmen des Konzepts des tiergestützten Unterrichts einzusetzen. Diese Kosten sind ausschließlich beruflich veranlasst und damit voll abziehbar. Eine private Mitveranlassung ist insoweit nicht ersichtlich.
März 2021
- Wertguthabenvereinbarung bei Ehegatten: Wie wird die Fremdüblichkeit geprüft?
Kann der Arbeitnehmer-Ehegatte unbegrenzt Wertguthaben ansparen sowie Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit der Freistellungsphasen nahezu beliebig wählen, liegt eine fremdunübliche einseitige Verteilung zu Lasten des Arbeitgeber-Ehegatten vor.
Hintergrund
Die Ehefrau F arbeitete im Betrieb ihres Ehemanns M halbtags als Bürofachkraft. Zusätzlich zum Arbeitsvertrag vereinbarten sie ein Zeitwertguthabenmodell, nach dem vom Bruttoarbeitslohn i. H. v. 1.410 EUR monatlich 1.000 EUR zuzüglich Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung in ein Wertguthabenkonto (Treuhandkonto) einbezahlt werden.
M aktivierte das Treuhandkonto und führte die Einzahlungen einer Rückstellung zu. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an.
Das Finanzgericht entschied, dass die Wertguthabenvereinbarung einem Fremdvergleich standhält, da es F freistand, einen Großteil ihres Gehalts einzubezahlen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Denn er bezweifelte die Fremdüblichkeit der Vereinbarung. Das Finanzgericht muss deshalb erneut die Fremdüblichkeit der Wertguthabenvereinbarung nachprüfen.
Verträge zwischen nahen Angehörigen sind unter dem Gesichtspunkt der Fremdüblichkeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dahingehend zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen. Dabei ist wesentlich, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind. Bei Arbeitsverhältnissen ist mitentscheidend, ob der Arbeitgeber dieselbe Regelung auch bei fremden Arbeitnehmern verwendet.
Im vorliegenden Fall war das Arbeitsverhältnis als solches dem Grunde nach als fremdüblich anzuerkennen. Der Bundesfinanzhof beanstandete jedoch, dass das Finanzgericht die Wertguthabenvereinbarung nicht gesondert auf die Fremdüblichkeit geprüft hat. Diese gesonderte Prüfung ist erforderlich. Denn es handelt sich um eine zusätzlich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Leistung.
Die Wertguthabenvereinbarung enthält einseitig Regelungen zu Lasten des M. Denn F kann nahezu unbegrenzt Vergütungen ansparen und das Guthaben quasi unbeschränkt wieder abbauen. Sie kann ständig wiederkehrend Freistellungen in Anspruch nehmen. M hat dagegen lediglich eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten bzw. das einmalige Ablehnungsrecht einer Freistellungsphase aus dringenden betrieblichen Gründen.
Diese einseitig zu Lasten des M gehende Risikoverteilung ist ein starkes Indiz dafür, dass die Wertguthabenvereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen widerspricht.
Die den anderen Arbeitnehmern angebotenen Altersvorsorge-Modelle sind mit dem Zeitwertguthabenmodell nicht vergleichbar. Die Wertguthabenvereinbarung ermöglicht der F äußerst flexibel ständig wiederkehrende Freistellungen mit Auszahlungen. Die Altersvorsorge greift dagegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb es ausreichend gewesen sein soll, allein der F die Wertguthabenvereinbarung anzubieten.
Februar 2021
- Folgen eines Rangrücktritts mit Tilgungsmöglichkeit aus sonstigem freien Vermögen
Sieht eine Rangrücktrittserklärung die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen vor, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen", löst dies kein Passivierungsverbot aus. Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden Geschäftstätigkeit nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung voraussichtlich nicht eintreten wird.
Hintergrund
Die X-GmbH hatte ihre Geschäftstätigkeit seit 2006 weitgehend eingestellt und diese erst im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Alleingesellschafterin ist die B-GmbH. Im Jahr 2007 verzichtete B gegenüber X, die bilanziell überschuldet war, auf Forderungen und gab zugleich eine Rangrücktrittserklärung ab. Danach waren die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen.
Da die X lediglich über eine geringfügige Forderung gegenüber einem Dritten verfügte und operativ nicht mehr geschäftstätig war, ging das Finanzamt davon aus, dass X durch die Forderungen der B wirtschaftlich nicht belastet war und ein Passivierungsverbot bestand.
Das Finanzgericht gab der Klage statt.
Entscheidung
Schulden sind zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und die am Bilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellt. Keine wirtschaftliche Belastung stellt eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Für diese Annahme genügt es indes nicht, dass der Schuldner überschuldet ist. Allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners führt nicht dazu, dass eine rechtlich bestehende Verpflichtung auszubuchen ist.
Demnach sind die Voraussetzungen für die handelsbilanzielle Passivierung nicht entfallen. Die Forderungen der B gegenüber der X hatten am Bilanzstichtag weiterhin rechtlich Bestand. Durch die nachträgliche Vereinbarung eines Rangrücktritts wird lediglich die Rangfolge, nicht aber der Bestand der Forderung geändert. Auch die wirtschaftliche Belastung der X war am Bilanzstichtag nicht entfallen. Die Verbindlichkeit wäre nur dann auszubuchen, falls eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegen eine Inanspruchnahme spräche.
Diese Voraussetzung ist bei Vermögenslosigkeit indes nicht gegeben, sodass auch im Überschuldungsfall weiterhin Fremdkapital vorliegt. Gleiches gilt für den Fall, dass – wie hier – eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung bestehen lässt, die Gesellschafterforderungen aus dem nach Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog. freien Vermögen zu tilgen.
Das Passivierungsverbot setzt voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers nur auf künftiges Vermögen des Schuldners bezieht. Unter Einnahmen oder Gewinnen sind künftige Vermögenswerte zu verstehen. Dagegen ist das Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 2a EStG auf Rangrücktrittsvereinbarungen nicht anwendbar, wenn die Verbindlichkeit auch aus sonstigem Vermögen (sog. freien Vermögen) zu tilgen ist.
Davon ausgehend liegt vorliegend kein Passivierungsverbot der gegenüber B bestehenden Verbindlichkeiten vor. Ein steuerliches Passivierungsverbot ist erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt in dem Sinne spezifiziert wird, dass die Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen. Die Erfüllungsfähigkeit ist für die Passivierung irrelevant.
- GmbH: Wann kommt eine vereinfachte Gründung in Betracht?
Soll eine GmbH im vereinfachten Verfahren gegründet werden, darf nicht vom Musterprotokoll abgewichen werden. Die Regelung zum Gründungsaufwand darf ebenfalls nicht verändert werden. Andernfalls liegt eine normale GmbH-Gründung vor.
Hintergrund
Die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin gründete in der erforderlichen, notariell beurkundeten Form eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 EUR. Dabei verwendete sie das Musterprotokoll für die GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren. An einer Stelle, nämlich bei der Regelung zum Gründungsaufwand, wich sie jedoch vom Musterprotokoll ab. Eine vorgegebene Formulierung kürzte sie ab, was vom Registergericht beanstandet wurde.
Entscheidung
Die Beschwerde der Gesellschafterin blieb ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht folgte der Einschätzung des Registergerichts. Durch die Streichung eines Satzteils veränderte die Gesellschafterin das Musterprotokoll der vereinfachten Gründung inhaltlich. Derartige Änderungen führen aber dazu, dass die Gründung nicht mehr als vereinfachte Gründung angesehen werden kann. Stattdessen lag eine normale Gründung vor, die alle hierfür geltenden Vorgaben erfüllen muss, z.B. die Pflicht zur Einreichung einer separaten Gesellschafterliste. Irrelevant war, dass sich im konkreten Fall die Abänderung des Musterprotokolls auf die tatsächliche Kostenverteilung zwischen Gesellschaft und Gesellschafterin nicht auswirkte, da das Stammkapital über 300 EUR lag.
- Grundbesitzende KG: Was gilt bei mittelbarer Anteilsvereinigung?
Für eine Anteilsvereinigung bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend, nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen.
Hintergrund
An der grundbesitzenden KG waren die B-GmbH als Kommanditistin zu 95 % beteiligt, darüber hinaus die G-GmbH als Kommanditistin zu 5 % und die A-GmbH als Komplementärin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. An der A-GmbH war mit 100 % die V-GmbH beteiligt. Die X-GmbH war mit 100 % an der B-GmbH beteiligt.
Im Jahr 2011 verkaufte die V-GmbH ihre 100 % Anteile an der A-GmbH an die X-GmbH. Die G-GmbH verkaufte ihre 5-prozentige KG-Beteiligung an die B-GmbH.
Somit waren an der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen die A-GmbH als Komplementärin und als Kommanditistin zu 100 % am Gesellschaftsvermögen die B-GmbH beteiligt.
Die X-GmbH war sowohl an der B-GmbH als auch an der A-GmbH zu 100 % und damit mittelbar an der KG beteiligt.
Das Finanzamt ging davon aus, dass die X-GmbH mit dem Hinzuerwerb der 5 %-Beteiligung an der KG durch die B-GmbH und durch den Erwerb der Anteile an der A-GmbH mittelbar alle Anteile an der KG erworben hatte. Damit erfüllte sie den Tatbestand der Anteilsvereinigung.
Dem folgte das Finanzgericht.
Entscheidung
Bei einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft liegt ein mittelbarer Anteilserwerb vor, wenn der Anteilserwerber sowohl bei der Zwischengesellschaft als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft seinen Willen durchzusetzen kann. Der Anteilserwerber muss mindestens 95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft halten und diese muss ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt sein. Bei dieser Quote geht das Gesetz typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber in erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen bei der grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen.
Wird die Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten, ist für die Frage, ob mittelbar mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden, bei der zwischengeschalteten Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung des erwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend.
Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 95 % beträgt, die Möglichkeit für den Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch für nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen.
Das Gleiche gilt, wenn die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und eine Kapitalgesellschaft zwischengeschaltet ist.
Der Gesellschafter, der am Gesellschaftskapital der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft mindestens 95 % der Anteile innehat, kann seinen Willen in der Kapitalgesellschaft durchsetzen. Diese Möglichkeit hat er auch in der nachgeordneten grundbesitzende Personengesellschaft, an der die Kapitalgesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen grundbesitzenden Personengesellschaften ist unmittelbar der Kapitalgesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen.
Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr steuerbar.
Im vorliegenden Fall war die X-GmbH bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mittelbar zu 95 % an der KG beteiligt. Diese Beteiligung wurde vermittelt durch ihre 100-prozentige Beteiligung an der zwischengeschalteten B-GmbH, die ihrerseits 95 % Anteile am Vermögen der KG hielt.
Der mittelbaren Beteiligung der X-GmbH an der KG in Höhe von mindestens 95 % steht nicht entgegen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die G-GmbH als weitere Kommanditistin und die A-GmbH bzw. mittelbar die V-GmbH als Komplementärin an der KG beteiligt waren. Denn für die mittelbare Beteiligung an der KG kommt es nicht auf die gesamthänderische Mitberechtigung, sondern auf den Anteil am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft an.
- Wann liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor?
Diese Frage stellte sich auch im Fall vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg. Dieses entschied: Keine Voraussetzung für die Eingliederung einer Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Das letzte Wort hat der Bundesfinanzhof.
Hintergrund
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der A Maschinenbau GmbH & Co. KG (KG). Gesellschafter der KG waren im Jahr 2010 die A Maschinenbau Verwaltungs-GmbH als Komplementärin ohne eigenen Kapitalanteil (Komplementär-GmbH) sowie die beiden Kommanditisten VA mit einem Kapitalanteil von 80 % und dessen Sohn SA von 20 %. Mit Beschluss zum 31.12.2011 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Über das Vermögen des VA wurde am 16.11.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die in Liquidation befindliche KG gab am 29.12.2015 eine korrigierte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 ab, in der sie keine Umsätze mehr erklärte.
Der Kläger berief sich auf das Bestehen einer Organschaft zwischen VA als Organträger und der KG als Organgesellschaft. Das Finanzamt lehnte dies ab, da neben VA auch sein Sohn SA an der KG beteiligt war und diese deshalb nicht Organgesellschaft sein konnte. Der Annahme einer Organschaft stand auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, da der Kläger sich erst Ende 2015 auf eine Organschaft berufen hatte. Das Finanzamt hatte damit keine Möglichkeit mehr, vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist zum 31.12.2015 VA zum Verfahren hinzuzuziehen. Die Steuerforderung konnte beim vermeintlichen Organträger nicht mehr realisiert werden.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Eine GmbH & Co. KG kann – wie vorliegend – unter das Tatbestandsmerkmal "juristische Person" i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG gefasst werden. Die hier streitige finanzielle Eingliederung setzt lediglich voraus, dass der Organträger seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Personengesellschaften nur dann von der Organschaft ausgeschlossen werden, wenn dies zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet ist. Dafür bestanden hier keine Anhaltspunkte.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben mit der Folge der Verwirkung lag ebenfalls nicht vor. Insbesondere kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er die Geltendmachung der Organschaft bewusst hinausgezögert hatte.
- Wann ist ein Stipendium einkommensteuerpflichtig?
Leistungen aus einem Stipendium können steuerbare wiederkehrende Bezüge darstellen. Das ist der Fall, wenn die Leistungen aus dem Stipendium an eine entsprechende Weiterbildungsverpflichtung anknüpfen und eine fehlende Entlohnung ausgleichen.
Hintergrund
Die Klägerin hatte ein Medizinstudium in Libyen abgeschlossen und war im Jahr 2014 wie eine Assistenzärztin an einer deutschen Klinik als sog. Gastärztin zur Facharztweiterbildung tätig. Die Klinik zahlte ihr kein Entgelt. Von der Libyschen Botschaft erhielt sie ein monatliches Stipendium. Nach Beendigung ihrer Studienzeit wollte die Klägerin nach Libyen zurückkehren.
Das Finanzamt besteuerte das Stipendium als sonstige Einkünfte. Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass es sich bei den Zahlungen aus dem Stipendium um freiwillig begründete Unterhaltszahlungen des libyschen Staates handelte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass steuerbare Bezüge vorliegen, wenn die Stipendiumsleistungen die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen sollten.
Obwohl die Klägerin wie eine Assistenzärztin in der Klinik arbeitete, war sie nicht als Arbeitnehmerin einzuordnen. Denn die Zahlungen der Botschaft stellten kein Entgelt "für" eine Leistung der Klägerin gegenüber der Klinik und somit keinen Arbeitslohn von dritter Seite dar. Das Stipendium wurde in erster Linie aus eigenwirtschaftlichem Interesse des Staates Libyen (Stärkung des dortigen Gesundheitssystems) und nicht im Interesse der Klinik (Entlastung des Klinikbetriebs) gewährt.
Der Bundesfinanzhof hat sich in mehreren Urteilen ausdrücklich für die Steuerbarkeit ausgesprochen und vertritt auch im vorliegenden Fall grundsätzlich die Steuerpflicht. Zum einen dienen Stipendien regelmäßig dazu, den Empfänger bei einem Forschung- oder Ausbildungsvorhaben zu unterstützen. Das steigert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Zum anderen ist er der Ansicht, dass für die Ausnahme von der Steuerbarkeit erforderlich ist, dass der Empfänger für die ihm gewährten Leistungen keine Gegenleistung zu erbringen hat.
Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass die Facharztweiterbildung in Deutschland im Rahmen einer vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit erfolgt. Die Stipendienleistungen an die Klägerin waren an die Erfüllung dieser im Rahmen der Fortbildung zu erbringenden Dienstleistung in der Klinik gebunden und sollten die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen. Damit stellt sich das Stipendium aus Sicht des Stipendiaten als Gegenleistung für seine im Rahmen der Fortbildung erbrachte Berufstätigkeit dar. Die Gegenleistung kann anstatt dem Stipendiengeber auch einem Dritten (hier der Klinik) gegenüber erbracht werden. Ein kausales Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung genügt.
Hiervon ausgehend verwies der Bundesfinanzhof die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem rechtlichen Verhältnis die Klägerin zu der Klinik stand. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin für das Stipendium eine kausale Gegenleistung erbracht hat und damit die Steuerbarkeit gegeben wäre, hätte das Finanzgericht die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. Nr. 44 EStG (Stipendien aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen) zu prüfen.
- Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers?
Die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers liegt im Zustellpunkt bzw. Zustellzentrum, dem er zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt.
Hintergrund
Der Kläger ist als Postzusteller am Zustellpunkt tätig. Die Sendungen kommen morgens aus dem Briefzentrum zum Zustellpunkt und werden von den Zustellern grob auf die Zustellbezirke verteilt. Anschließend steckt jeder Zusteller die von ihm auszutragende Post auf Gangfolge und macht seine Runde. Danach bearbeitet er die sog. Abschreibpost (Post, bei der der Adressat unbekannt, unbekannt verzogen oder verzogen ist) und Abrechnungen (z.B. für Nachnahmen, Nachentgelte oder Zollgebühren). Die Vorarbeiten dauern gut 2 Stunden, die Nacharbeiten etwa 20 bis 30 Minuten.
Für die Jahre 2015 bzw. 2016 machte der Kläger den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheit von mindestens 8 Stunden für 144 bzw. 133 Tage geltend. Er war der Ansicht, dass der Zustellbezirk als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen war. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht an. Das Finanzgericht wies die Klage ab, da der Zustellpunkt erste Tätigkeitsstätte des Klägers war und er nicht mehr als 8 Stunden außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wurde.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgte mit seiner Entscheidung dem Finanzgerichtsurteil. Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Davon ausgehend war der Zustellpunkt als erste Tätigkeitsstätte des Klägers anzusehen. Der Zustellpunkt ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Dienstherrn des Klägers. Dieser war dem Zustellpunkt dauerhaft (unbefristet) zugeordnet. Der Kläger ist am Zustellpunkt auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Als Zusteller hatte er im Zustellpunkt arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Postzustellers gehören wie das Zustellen der Briefe im Zustellbezirk (Übernahme und Sortierung der Sendungen, Vorbereitung des Handwagens und Nacharbeiten nach der Zustellrunde). Diese Tätigkeiten im Zustellpunkt sind Teil der Berufstätigkeit eines Postzustellers.
Jedoch war der Kläger an den geltend gemachten Tagen nicht mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und dem Zustellpunkt als erster Tätigkeitsstätte abwesend, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung der Verpflegungspauschbeträge nicht vorlagen. Eine Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von der Wohnung reicht nicht aus.
- Keine Verrechnung positiver und negativer Kapitalkonten bei Bewertung eines KG-Anteils
Wird ein KG-Anteil für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertet, darf ein positives Kapitalkonto des Erblassers nicht mit den negativen Kapitalkonten anderer Kommanditisten saldiert werden.
Hintergrund
X ist Alleinerbin des 2014 verstorbenen Erblasser E. Dieser war Kommanditist einer KG. Weitere Kommanditisten waren A und B. Am Todestag des E war noch positives und negatives Betriebsvermögen der KG vorhanden. Das Kapitalkonto des E wies einen positiven Wert auf. Die Kapitalkonten von A und B waren negativ.
X verrechnete in der Feststellungserklärung für den geerbten KG-Anteil das positive Kapitalkonto des E mit den negativen Kapitalkonten der anderen Kommanditisten und ermittelte auf diese Weise einen negativen Wert.
Das Finanzamt lehnte die Verrechnung ab und stellte einen positiven Wert fest. Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der gemeine Wert des Anteils an einer Personengesellschaft ist schematisch in mehreren Schritten zu ermitteln und aufzuteilen: Zunächst wird der gemeine Wert des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft insgesamt ermittelt. Anschließend wird der so ermittelte gemeine Wert auf den zu bewertenden Anteil und die übrigen Anteile aufgeteilt. Dies erfolgt dadurch, dass die Kapitalkonten den jeweiligen Gesellschaftern vorweg zuzurechnen sind.
Danach wird der verbleibende Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft und der Summe der Kapitalkonten (verbleibender Wert des Betriebsvermögens) nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt, wobei Vorabgewinnanteile nicht berücksichtigt werden.
Sodann werden für die aktiven Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens die gemeinen Werte ermittelt und den Gesellschaftern getrennt zugerechnet. Schließlich ergibt sich der Wert des Anteils aus einer Addition des ermittelten Werts des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen und des Werts des ihm zuzurechnenden Sonderbetriebsvermögens.
Dieses Aufteilungsschema gilt auch dann, wenn im Einzelfall der danach ermittelte Wert vom gemeinen Wert abweicht. Im Einzelfall kann es zu einem positiven Wert des Anteils und daher zu einer Bereicherung bei der Erbschaftsteuer führen, auch wenn bei der Gesellschaft tatsächlich kein Vermögen mehr vorhanden ist. Das kann eintreten, wenn das Betriebsvermögen der Gesellschaft negativ ist und der Anteil eines Gesellschafters mit einem positiven Kapitalkonto zu bewerten ist, während die Kapitalkonten der anderen Gesellschafter negativ sind. Die Vorwegzurechnung des positiven Kapitalkontos führt – wie im vorliegenden Fall – zu einem positiven Wert des Anteils, wenn der Wert des positiven Kapitalkontos den verbleibenden Wert des Betriebsvermögens übersteigt und Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens nicht zuzurechnen sind. Unerheblich ist hierbei, ob ein Auszahlungsanspruch in Höhe des positiven Kapitalkontos tatsächlich besteht oder realisiert werden kann.
Erscheint der schematisch ermittelte Wert zu hoch, kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts erbracht werden. Dieser kann am treffendsten aus einem zeitnahen Verkauf abgeleitet werden. Liegt ein solcher nicht vor, kann der Wert durch ein Gutachten nachgewiesen werden. In einem solchen Fall ist eine Aufteilung nicht vorzunehmen. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Der Bundesfinanzhof schließt sich dieser Auffassung an.
- Welche Erklärungspflichten hat ein Testamentsvollstrecker?
Ein Testamentsvollstrecker ist befugt, die Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts für ein Grundstück zu unterzeichnen. Er kann also die Feststellungserklärung für die Erben abgeben.
Hintergrund
A wurde je zu 1/4 durch B, C, D und E beerbt. Zum Nachlass gehörte eine Eigentumswohnung. Kläger K wurde zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass bestellt und verkaufte die Eigentumswohnung. Nachdem das Finanzamt die Miterben zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hatte, reichte K eine Feststellungserklärung ein und beantragte den Ansatz des niedrigeren gemeinen Werts. Eine umfassende Vollmacht für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung gegenüber dem Finanzamt und für Zustellungen lag vor.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Kläger nicht zur Unterzeichnung der Erklärung befugt war und verlangte eine zumindest durch einen Miterben unterschriebene Erklärung. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.
Nachdem das Finanzamt einen Grundbesitzwertbescheid erlassen hatte, in dem der Grundbesitzwert auf X EUR festgestellt worden ist, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das Finanzgericht musste nun noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden.
Entscheidung
Das Finanzgericht entschied, dass der Testamentsvollstrecker die Feststellungserklärung für den oder die Erben abgeben darf.
Dafür spricht, dass der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner zivilrechtlichen Befugnisse gegenüber dem Steuerschuldner wie ein gesetzlicher Vertreter alle Pflichten des Steuerpflichtigen erfüllen muss, die diesem durch die Gesetze auferlegt werden. Die Finanzverwaltung hat den Testamentsvollstrecker nach der früheren Rechtslage als erklärungspflichtig behandelt und zur jetzigen Rechtslage jedenfalls keine ausdrücklich abweichende Regelung erlassen.
Da dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses und damit des Feststellungsgegenstands obliegt und er somit, im Gegensatz zu den Erben, über die für die Abgabe der Feststellungserklärung erforderlichen Informationen verfügt und darüber hinaus auch zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verpflichtet ist, sprechen der Sinn und Zweck des Gesetzes ebenfalls dafür, ihn im Rahmen seiner Pflichten als gesetzlicher Vertreter bzw. Vermögensverwalter als erklärungspflichtig anzusehen.
November 2020
- Unentgeltliche Unterkunft in einer Bundeswehrkaserne: Was ist als Werbungskosten abzugsfähig?
Nutzt ein Zeitsoldat die Gemeinschaftsunterkunft nur für dienstliche Zwecke und nicht zum Wohnen, sind die Zuwendungen der Bundeswehr durch die kostenlose Zurverfügungstellung dieser Unterkunft neben den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte als Werbungskosten abzugsfähig.
Hintergrund
S war im Jahr 2009 Zeitsoldat. Die Bundeswehr stellte ihm unentgeltlich eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung. Es bestand aber keine Verpflichtung dort zu übernachten. Deshalb nutzte S die Unterkunft in der Kaserne nur zur Aufbewahrung von Dienstkleidung und Ausrüstung sowie zum Wechseln der Uniform. Nach Dienstende fuhr er zu seiner rund 50 km entfernten Wohnung.
Die Bundeswehr setzte für die Gestellung der Unterkunft einen geldwerten Vorteil i. H. v. monatlich 51 EUR bzw. 612 EUR für das Jahr an.
S machte für 2009 Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte geltend. Daneben beantragte er die Anerkennung von Unterkunftskosten am Beschäftigungsort in Höhe des von der Bundeswehr angesetzten Sachbezugs (612 EUR) als Werbungskosten.
Sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht lehnten dies ab und erkannten nur die Fahrtkosten an. Ein Werbungskostenabzug der Unterkunftskosten stand S nicht zu, da er insoweit keine Aufwendungen hatte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied zugunsten des S. Bei Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart und die beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, liegen in Höhe der Zuwendungen fiktive abziehbare Werbungskosten des Arbeitnehmers vor, wenn die Zahlungen durch ihn zu Werbungskosten geführt hätten.
Die Bundeswehr stellte S kostenlos eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung. Bei S wurde entsprechend ein geldwerter Vorteil als Sachbezug angesetzt und in Höhe der amtlichen Sachbezugswerte der Besteuerung unterworfen. S steht aber in derselben Höhe ein entsprechender Werbungskostenabzug zu. Denn er hätte die Aufwendungen für die Gemeinschaftsunterkunft, wenn er sie selbst getragen hätte, als allgemeine Werbungskosten abziehen können.
Im vorliegenden Fall lag keine doppelte Haushaltsführung vor. Der Abzug der Unterkunftskosten ist daher neben den Fahrtkosten nicht ausgeschlossen. Der Regelungsbereich der doppelten Haushaltsführung ist nicht berührt. Denn eine doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass die Zweitunterkunft zumindest gelegentlich zum Übernachten genutzt wird. Daran fehlte es hier. S wohnte nicht in der Unterkunft in der Kaserne. Er benutzte die Gemeinschaftsunterkunft nicht zum Wohnen, d. h. übernachten, sondern lediglich zur Aufbewahrung und zum Wechseln seiner Dienstkleidung mit seiner Ausrüstung. Somit war keine doppelte Haushaltsführung gegeben und S hätte die Aufwendungen für die Nutzung der Kasernenunterkunft neben den pauschalen Kosten der täglichen Fahrten fiktiv als allgemeine Werbungskosten geltend machen können, wenn ihm die Gemeinschaftsunterkunft nicht kostenlos zur Verfügung gestellt worden wäre.
- Zur Bildungseinrichtung als erster Tätigkeitsstätte
Bei einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme stellt die Bildungseinrichtung die erste Tätigkeitsstätte dar. Die Dauer der Bildungsmaßnahme spielt dabei keine Rolle.
Hintergrund
Der Behälter- und Apparatebauer X, wohnhaft in B, besuchte im Jahr 2014 in Vollzeit einen 3-monatigen Schweißtechnikerlehrgang in A. Während dieses Zeitraums stand er in keinem Arbeitsverhältnis.
X machte für 2014 im Zusammenhang mit dem Lehrgang u. a. die Kosten für eine Unterkunft in A (2.600 EUR) sowie Verpflegungsmehraufwendungen für 3 Monate (2.070 EUR) als Werbungskosten geltend. Einen doppelten Haushalt führte er nicht, da er im Haus seiner Mutter in B keinen eigenen Hausstand unterhielt.
Das Finanzamt berücksichtigte die Unterkunfts- und Verpflegungskosten nicht. Dem folgte das Finanzgericht, denn X war während des Lehrgangs in A nicht auswärts tätig gewesen, vielmehr hatte er seine erste Tätigkeitsstätte in A. Dass der Lehrgang nur 3 Monate gedauert habe, war für das Gericht unerheblich.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgte der Auffassung des Finanzgerichts und entschied, dass es sich bei der Lehranstalt in A um die erste Tätigkeitsstätte des X handelte. Dessen Revision wies der Bundesfinanzhof damit zurück.
Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt in A handelt es sich um eine Bildungseinrichtung. Diese hat X zum Zweck einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme für 3 Monate aufgesucht.
Eine vollzeitige Bildungsmaßnahme liegt vor, wenn die berufliche Fort- oder Ausbildung typischerweise darauf ausgerichtet ist, dass sich der Steuerpflichtige ihr zeitlich vollumfänglich widmen muss und die Lerninhalte vermittelnden Veranstaltungen jederzeit besuchen kann. Eine Bildungseinrichtung gilt selbst dann als erste Tätigkeitsstätte, wenn sie im Rahmen einer nur kurzzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Davon ist auszugehen, wenn die Bildungseinrichtung anlässlich der regelmäßig zeitlich befristeten Bildungsmaßnahme nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) aufgesucht wird. Eine zeitliche Mindestdauer der Bildungsmaßnahme ist nicht erforderlich. Auch bei einer zeitlich begrenzten Bildungsmaßnahme sucht der Steuerpflichtige die Bildungseinrichtung typischerweise nicht nur gelegentlich, sondern während der ggf. nur kurzzeitigen Bildungsmaßnahme fortdauernd und immer wieder auf, sodass er sich auf die ihm insoweit entstehenden Werbungskosten einrichten und deren Höhe beeinflussen kann.