Mandanteninformation für
Kapitalanlage & Versicherung



Dezember 2021


  • Fremdwährungsdarlehen: Wie dauerhafte Wechselkursänderungen berücksichtigt werden

    Ist der Euro-Wert gegenüber einer Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken, kann eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen zulässig sein.


    Hintergrund

    Die X-KG nahm im Jahr 1999 ein Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken (CHF) im Wert von 1 Mio. DM auf. Im Jahr 2006 betrug der Rückzahlungsbetrag nach einer Umschuldung 520.140 EUR (Kurs 1,57 CHF/EUR).

    Zum 31.12.2010 war der Kurs des CHF gegenüber dem Euro erheblich gestiegen. X bewertete die Verbindlichkeit daher für 2010 mit 639.033 EUR (Kurs ca. 1,28 CHF/EUR).

    Das Finanzamt erkannte die Teilwertzuschreibung nicht an und berücksichtigte das Fremdwährungsdarlehen nur mit dem Wert aus 2006 i. H. v. 520.140 EUR.

    Das Finanzgericht gab der Klage statt. Ausgehend von einer Zinsänderungsvereinbarung im Jahr 2008 betrug die Restlaufzeit weniger als 4 Jahre. Bei einem solchen kurzfristigen Darlehen ist eine Teilwertzuschreibung bereits möglich, wenn die Kursschwankung 20 % für den einzelnen Bilanzstichtag bzw. von 10 % für 2 aufeinanderfolgende Stichtage überschreitet.


    Entscheidung

    Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamts zurück. Er erkannte die Teilwertzuschreibung an, denn am Bilanzstichtag 31.12.2020 lag eine fundamentale Veränderung der Wirtschaftsdaten zwischen dem Euro-Raum und der Schweiz vor.

    Eine Fremdwährungsverbindlichkeit ist grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Wechselkurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme (Einstandskurs) ergibt. Der höhere Teilwert kann bei einer voraussichtlich dauernden Wertveränderung angesetzt werden. Dabei ist die Laufzeit entscheidend. Bei langfristigen Verbindlichkeiten (Restlaufzeit mindestens 10 Jahre) ist nicht jede Kursveränderung als dauerhaft anzusehen, da sich Währungsschwankungen in der Restlaufzeit ausgleichen können. Bei kürzerer Restlaufzeit kann dagegen eher angenommen werden, dass sich der Kursverlust nicht bis zur Tilgung zum Einstandswert zurückentwickeln wird.

    Liegen allerdings Tatsachen vor, die eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse begründen, kann dies eine Teilwertzuschreibung nicht nur bei kürzeren, sondern auch bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten rechtfertigen. Das ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtags so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, dass der Einstandskurs sich wieder einstellen wird.

    Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berücksichtigung wertbegründender Tatsachen ist der Bilanzstichtag. Wird der Teilwert auf der Grundlage eines Kurswerts ermittelt, stellen eingetretene Kursänderungen wertbegründende, nicht lediglich werterhellende Umstände dar. Sie sind somit nur bis zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Soweit wirtschaftliche oder währungspolitische Entscheidungen für die Prognose künftiger Kursentwicklungen von Bedeutung sind, stellen auch sie wertbegründende Tatsachen dar und können deshalb ebenfalls nur berücksichtigt werden, soweit sie bereits am maßgeblichen Bilanzstichtag vorlagen.

    Das Finanzgericht hat die Prognose getroffen, dass am Bilanzstichtag 31.12.2010 eine fundamentale Änderung wirtschaftlicher oder währungspolitischer Daten vorlag, die eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung der Verbindlichkeit begründete. Auf der Grundlage der Entwicklung der währungspolitischen Situation im Euro-Raum sowie der vor dem Bilanzstichtag 31.12.2010 getroffenen umfangreichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe wie auch der EU-Organe durfte das Finanzgericht annehmen, dass eine außerordentliche und nachhaltige Änderung der wirtschaftlichen und währungspolitischen Verhältnisse in dem Euro-Raum stattgefunden hat und dass der erheblich erhöhte Kurswert des CHF (1,2504 CHF/EUR) am Bilanzstichtag nicht ohne Weiteres zu dem Einstandswert bei Darlehensaufnahme in 2006 (1,5789 CHF/EUR) zurückkehren wird.


  • Riester-Altersvorsorgevertrag: Keine ermäßigte Besteuerung nach alter Rechtslage

    Die kapitalisierte Auszahlung von Riesterverträgen stellen keine außerordentlichen Einkünfte dar, da sie in der Praxis typischerweise vorkommt. Deshalb kommt keine ermäßigte Besteuerung in Betracht, jedenfalls nach der Rechtslage bis 2017.


    Hintergrund

    Der Kläger hatte im Jahr 2007 einen Sparvertrag bei einer Bank geschlossen, der über die Regelungen zur Riester-Rente gefördert war. Der Vertrag sah vor, dass die Bank das angesammelte Kapital bei Rentenbeginn förderunschädlich an den Sparer auszahlen kann, wenn die Rente nur einen gewissen Kleinbetrag erreicht. Im Jahr 2013 kam diese Kleinbetragsrenten-Regelung zur Anwendung, sodass dem Kläger aus dem Altersvorsorgevertrag eine Kapitalabfindung von 7.500 EUR ausgezahlt wurde.

    Das Finanzamt unterwarf die Auszahlungen dem regulären Einkommensteuersatz. Der Kläger hingegen begehrte die Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 EStG.


    Entscheidung

    Das Finanzgericht entschied, dass die Kapitalabfindung nicht tarifermäßigt besteuert werden kann, da es an der Außerordentlichkeit der Einkünfte fehlt. In den Jahren 2005 bis 2017 waren zwischen 58 % und 79 % der Riesterverträge ganz oder teilweise kapitalisiert worden. Damit kam die (Teil-) Kapitalisierung von Altersvorsorgeverträgen in einer Vielzahl von Fällen vor, sodass sie als typisch einzustufen war. Für die Annahme von außerordentlichen Einkünften, die der ermäßigten Besteuerung unterlagen, war nach Ansicht des Gerichts deshalb kein Raum. Bei der Kapitalabfindung aus einem Altersvorsorgevertrag handelt es sich um steuerpflichtige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG.


  • Zur Geltendmachung privater Veräußerungsverluste nach bestandskräftiger Einkommensteuerfestsetzung

    Nacherklärte Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften können nicht gesondert festgestellt werden, wenn hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzungen der Verlustentstehungsjahre Verjährung ganz oder teilweise eingetreten ist.


    Hintergrund

    Die Eheleute hatten für die Jahre 2007 und 2008 keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erklärt und waren bestandskräftig veranlagt worden. Im Jahr 2014 reichten sie eine "Nachmeldung" ein, mit der sie weitere Einkünfte der Ehefrau aus Kapitalvermögen sowie Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren erklärten.

    Das Finanzamt berücksichtigte in den folgenden Änderungsbescheiden die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften wegen groben Verschuldens am nachträglichen Bekanntwerden nicht. Den Antrag, verbleibende Verlustvorträge zum 31.12.2007 bzw. 2008 festzustellen, lehnte das Finanzamt wegen Teilverjährung der Einkommensteuer-Bescheide ab.

    Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Es entschied, dass eine Verlustfeststellung ausscheidet, da wegen der Verlustausgleichsbeschränkung die privaten Veräußerungsverluste den Einkommensteuer-Festsetzungen nicht zugrunde gelegt worden sind.


    Entscheidung

    Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Eine Verlustfeststellung ist infolge der insoweit bestandskräftig gewordenen Einkommensteuer-Bescheide, denen keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu Grunde liegen, ausgeschlossen, da die Voraussetzungen für eine Änderung nicht vorliegen.

    Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 1. Halbsatz EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Einkommensteuer-Festsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt wurden. Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

    Die Verlustfeststellung muss daher entfallen, wenn der Einkommensteuer-Bescheid nicht mehr änderbar ist. Eine erstmalige Verlustfeststellung für nachträglich erklärte Verluste soll nach Bestandskraft des Einkommensteuer-Bescheids - zur Sicherung des Rechtsfriedens - nur noch zulässig sein, wenn auch der Steuerbescheid geändert werden kann.

    Liegt wie im vorliegenden Fall ein bestandskräftiger Einkommensteuer-Bescheid für das Verlustentstehungsjahr vor, entfaltet dieser Bindungswirkung für die Verlustfeststellung. Der Erlass bzw. die Änderung des Verlustfeststellungsbescheids setzt dann voraus, dass der korrespondierende Einkommensteuer-Bescheid verfahrensrechtlich geändert wird oder dass die Änderung allein wegen fehlender steuerlicher Auswirkung unterbleibt.

    Dabei kann offenbleiben, ob eine Korrektur wegen groben Verschuldens am nachträglichen Bekanntwerden der Veräußerungsverluste ausgeschlossen ist. Denn der Änderung der Einkommensteuer-Bescheide steht jedenfalls Festsetzungsverjährung entgegen. Diese war im Zeitpunkt der "Nachmeldung" der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Dezember 2014 bereits eingetreten. Eine Änderung der Einkommensteuer-Bescheide kommt damit nicht mehr in Betracht.



November 2021


  • Berufsunfähigkeitsversicherung: Vorerkrankungen sollte man besser nicht verschweigen

    Verschwiegene Krankheiten oder deren Verharmlosung bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung können den Versicherungsschutz kosten. Denn die Versicherung darf in diesem Fall vom Vertrag zurücktreten und ist von der Zahlungspflicht befreit.


    Hintergrund

    Die Klägerin war berufsunfähig geworden und nahm deshalb ihre Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch. Nachdem jedoch bekannt geworden war, dass die Klägerin Gesundheitsfragen im Antrag teilwei-se falsch beantwortet hatte, trat die Versicherung wegen arglistiger Täuschung vom Vertrag zurück.

    Bei der Frage nach vorangegangenen ärztlichen Behandlungen und Krankenhausaufenthalten hatte die Klägerin diverse, teils chronische Krankheiten verschwiegen. Tatsächlich aber hatte sie sich in den 5 Jahren vor Antragstellung mehreren Behandlungen unterzogen. Sie war in ärztlicher Behandlung wegen eines chronischen Schmerzsyndroms. Zudem hatte sie eine mehrfache Gastritis, Oberbauchkoliken und einen Reizdarm.

    Wegen der Schmerzen im Oberbauch wurde sie in dem relevanten Zeitraum auch einmal in die Notaufnahme eines Krankenhauses eingewiesen mit anschließendem stationären Aufenthalt. Dazu kamen noch Krankheiten wie eine Angina, eine Mandel- und eine Augenbindehautentzündung.


    Entscheidung

    Das Oberlandesgericht gab der Versicherung Recht. Die Versicherung hat die Möglichkeit der Anfechtung eines Vertrags, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrenerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzureichende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss eines Versiche-rungsvertrags beeinflusst werden kann.

    Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass künftige Versicherungsnehmer die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend beantworten müssen. Sie dürfen sich bei der Beantwortung der Fragen weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitseinschränkungen verschweigen.

    Potenzielle Versicherungsnehmer müssen auch solche Beeinträchtigungen angeben, die noch keinen Krankheitswert haben, es sei denn, sie sind offenkundig belanglos oder vergehen alsbald, denn die Bewertung der Gesundheitsbeeinträchtigung ist Sache des Versicherers.

    Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziere Arglist ebenso wie das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen. Die starke Verharmlosung ihrer über Jahre währenden chronischen Schmerzen und Erkrankungen spreche im vorliegenden Fall für die Annahme von Arglist.

    Die durch die Behandlungsunterlagen belegte erhebliche und lang andauernde chronische Leidensgeschichte der Frau und die Tatsache, dass sie sich bei der Antragstellung als vollkommen gesund dargestellt habe, spricht nach Ansicht des Gerichts für einen Täuschungsvorsatz der Frau.



  • Führt der insolvenzbedingte Ausfall einer privaten Darlehensforderung zu einem Verlust?

    Kommt es insolvenzbedingt zu einem Ausfall einer privaten Darlehensforderung, stellt sich die Frage, ob dies zu einem Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Jedenfalls ist von einem end-gültigen Ausfall der Kapitalforderung auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insol-venzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.


    Hintergrund

    X gewährte im Jahr 2010 ein verzinsliches Darlehen. Ab August 2011 erfolgten keine Rückzahlungen mehr. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde im August 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. X meldete seine noch offene Forderung zur Insolvenztabelle an. Im Oktober 2012 zeigte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Die Masseunzulänglichkeit dauer-te während des Insolvenzverfahrens an. Im Jahr 2016 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse schließlich eingestellt.

    X machte für das Jahr 2012 den Ausfall seiner Darlehensforderung als Verlust bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend, was das Finanzamt ablehnte.

    Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Verlust war aufgrund der Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Jahr 2012 zu berücksichtigen.


    Entscheidung

    Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück. Der Forderungsausfall ist im Jahr 2012 zu berücksichtigen.

    Die Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgrund eines endgültig feststehenden Forderungsausfalls ist zu berücksichtigen. Ausnahmsweise kann der Verlust auch schon früher entstanden sein, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen zu rechnen ist und ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung vorliegen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür i. d. R. nicht aus. Anders ist es, wenn die Eröff-nung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder "aus anderen Gründen" feststeht, dass nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des Verlusts nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu rechnen ist.

    Mit der Anzeige ändert sich die Zielrichtung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter bleibt zwar zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Insolvenzverfahren wird jedoch fortan mit dem Ziel fortgesetzt, die noch vorhandene Restmasse im Interesse der Massegläubiger zu verwerten. Im Zeitpunkt der angezeigten Masseunzulänglichkeit steht deshalb mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger keine Zahlungen mehr erfolgen werden und damit nicht mehr mit einer Änderung des Verlusts zu rechnen ist. Damit lagen im vorliegenden Fall ausreichende objektive Anhaltspunkte für die Uneinbringlichkeit der Forderung des X vor.

    Dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, bei Massebesserung wieder in das "normale" Insolvenzver-fahren zurückzukehren, steht der Uneinbringlichkeit nicht entgegen. Denn dies ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt der angezeigten Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse objektiv nicht ausreichend ist, um alle Massegläubiger voll zu befriedigen, so dass eine auch nur anteilige Befriedigung der Insolvenz-gläubiger nicht mehr zu erwarten ist.

    Bei der ausgefallenen Darlehensforderung handelt es sich auch nicht um eine sonstige Masseverbindlichkeit, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch Aussicht auf Befriedigung nach Maßgabe des Rangverhältnisses hatte. Auch liegt kein Fall eines bei Insolvenzeröffnung abgeschlossenen, aber beid-seits noch nicht erfüllten Schuldverhältnisses vor. Denn X hatte bereits vor Insolvenzeröffnung die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer ausgezahlt und seine vertragliche Verpflichtung daher vollständig erfüllt. Er besaß deshalb einen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch auf Rück-zahlung, der für die Dauer der Masseunzulänglichkeit von einer Teilnahme an der Verwertung der Restmasse ausgeschlossen war.



August 2021


  • Erstattung von Kapitalertragsteuer: Ist die deutsche Regelung europarechtswidrig?

    Ob der erforderliche Nachweis für eine Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer durch eine Bescheinigung einer ausländischen Steuerbehörde eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, muss nun der Europäische Gerichtshof klären.


    Hintergrund

    Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft. Sie war mit 5,26 % an der Z GmbH beteiligt. Zu den erhaltenen Gewinnausschüttungen der Z GmbH wurde Kapitalertragsteuer i. H. v. 20 % einbehalten und abgeführt. Die Klägerin beantragte die Erstattung dieser Kapitalertragsteuer. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, soweit dieser einer Erstattung gem. § 32 Abs. 5 KStG für die verbliebene Quellensteuer mit 15 % betraf, da die Klägerin die gesetzlich gebotenen Nachweise nach § 32 Abs. 5 Satz 1-5 KStG nicht erbracht hatte.


    Entscheidung

    Für die Erstattung von Kapitalertragsteuer muss eine Bescheinigung einer ausländischen Steuerverwaltung vorliegen, aus welcher sich ergibt, dass die deutsche Kapitalertragsteuer nicht angerechnet, nicht abgezogen oder nicht vorgetragen werden kann und dass dies auch tatsächlich nicht erfolgt ist. Dies könnte die Kapitalverkehrsfreiheit unzulässig einschränken.

    Das Finanzgericht setzt deshalb das Klageverfahren aus und holt eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein. Dabei geht es um die Frage, ob Art. 63 AEUV einer nationalen Steuervorschrift entgegensteht, nach der die im Ausland ansässige Gesellschaft für Erstattung auf Streubesitzdividenden einbehaltener Kapitalertragsteuer als Nachweis eine Bescheinigung der ausländischen Steuerverwaltung vorlegen muss, aus welcher hervorgeht, dass die Kapitalertragsteuer nicht angerechnet oder abgezogen worden ist bzw. dies auch nicht erfolgen kann.

    Sollte diese Anforderung rechtmäßig sein, stellt sich als nächstes die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Prinzip des "Effet utile" der Nachweispflicht entgegensteht, wenn es dem ausländischen Empfänger von Streubesitzanteilen faktisch unmöglich ist, eine solche Bescheinigung beizubringen.


  • Sind Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung bei Umschuldung steuerpflichtig?

    Wird ein Forwarddarlehen durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung besichert, dient es im Rahmen einer Umschuldung nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Das gilt zumindest dann, wenn es höher als die Restschuld des umzuschuldenden Darlehens ist und der übersteigende Betrag zur Finanzierung der Bereitstellungszinsen und anderer umschuldungsbedingter Aufwendungen verwendet wird.


    Hintergrund

    A erwarb im Jahr 1998 mit seiner damaligen Ehefrau B ein Einfamilienhaus zur Vermietung. Die Anschaffung finanzierten sie mit Bankdarlehen. Im Jahr 2006 übernahm A den Miteigentumsanteil und die Darlehensschuld der B und schloss mit der Bank ein Forwarddarlehen (Vorausdarlehen) ab, um beide Anschaffungsdarlehen abzulösen.

    A hatte eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Im Jahr 2010 trat er die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens ab und tilgte die Darlehen. Dafür fielen Gebühren an. Zudem buchte die Bank Bereitstellungszinsen ab.

    Das Finanzamt stellte die Steuerpflicht der Zinsen aus der Lebensversicherung fest.

    A wandte ein, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Zinsen aus der Versicherung erfüllt sind. Er habe das Forwarddarlehen zur Ablösung der Anschaffungsdarlehen verwendet. Die Bereitstellungszinsen habe er als bankübliche einmalige Finanzierungskosten steuerunschädlich mitfinanzieren dürfen. Sie seien daher nicht auf die Bagatellgrenze von 2.556 EUR anzurechnen. Der Restbetrag des Forwarddarlehens sei zwar i. H. v. 1.525 EUR steuerschädlich verwendet worden, überschreite aber nicht die Bagatellgrenze.

    Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die tatsächliche Verwendung des Forwarddarlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen und übrigen Aufwendungen im Rahmen der Umschuldung war steuerschädlich. Denn das Darlehen war insoweit nicht ausschließlich und unmittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten verwendet worden.


    Entscheidung

    Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind grundsätzlich steuerpflichtig.

    Das gilt als Ausnahme hiervon jedoch u.a. nicht, wenn es sich um Zinsen aus bestimmten Versicherungen handelt. Die Steuerbefreiung gilt wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind.

    Versicherungsbeiträge können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind.

    Von diesem Abzugsverbot enthält u.a. die gesetzliche Regelung eine Rückausnahme. Der Sonderausgabenabzug ist gestattet, wenn das besicherte Darlehen selbst unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dient und die zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten übersteigen. Dabei gilt eine Bagatellgrenze von 2.556 EUR.

    Demnach kommt im vorliegenden Fall keine Steuerbefreiung für die Zinsen aus der Lebensversicherung in Betracht. Denn A steht der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge wegen der Abtretung der Ansprüche zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens nicht zu. Dem Sonderausgabenabzug steht entgegen, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens dienen, dessen Finanzierungskosten jedenfalls in Höhe der Bereitstellungszinsen Werbungskosten des A bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind.

    Die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Abzugsverbot sind demnach nicht erfüllt. Da A mit dem Forwarddarlehen neben den Restschulden aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen die Bereitstellungszinsen und weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umschuldung finanziert hat, dient das mit der Lebensversicherung besicherte Forwarddarlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses. Ferner überstieg das Forwarddarlehens die Restschuld der Anschaffungsdarlehen. Dass die Bereitstellungszinsen wegen der Umschuldung anfielen, genügt für den engen Zusammenhang nicht. Die Bereitstellungszinsen (und die weiteren umschuldungsbedingten Aufwendungen) übersteigen schließlich die Bagatellgrenze von 2.556 EUR.


  • Unfallgeschädigte müssen sich nicht mit Teilreparatur zufriedengeben

    Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht grundsätzlich auch dann, wenn die Reparatur des Fahrzeugs eines Unfallgeschädigten aufgrund fehlender Ersatzteile mehrere Monate dauert. Der Geschädigte darf sich bei der Reparatur auf die Werkstatt verlassen.


    Hintergrund

    Das Auto der Klägerin kollidierte mit einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer bei Rot über die Ampel gefahren war. Das Fahrzeug stand der Klägerin erst 190 Tage nach dem Unfall wieder zur Verfügung.

    Die Reparatur hatte so lange gedauert, weil ein Airbag-Modul für die Beifahrerseite des Fahrzeugs lange Zeit nicht geliefert worden war. Als das Modul dann schließlich bei der beauftragten Werkstatt eintraf, stellte sich heraus, dass auch der Kabelbaum der Beifahrertür defekt war, weshalb dieser noch nachbestellt und eingebaut werden musste.

    Die Versicherung wollte für den Nutzungsausfall nicht aufkommen. Insbesondere habe die Klägerin die Schadenbeseitigung in erheblichem Umfang schuldhaft verzögert. Ein fehlendes Airbag-Modul habe einer Reparatur und einer anschließenden Nutzung des Fahrzeugs nicht im Wege gestanden, ein Beifahrerairbag müsse nicht zwingend einsatzbereit sein.


    Entscheidung

    Das Oberlandesgericht gab der Klägerin zum überwiegenden Teil Recht. Verzögerungen bei der Reparatur eines unfallgeschädigten Fahrzeugs, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Insofern konnte von der Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum beansprucht werden.

    Hat die Werkstatt, wie im vorliegenden Fall, die Verzögerung der Reparatur mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen begründet, trifft den Geschädigten auch keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Ein Geschädigter darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um eine zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird.

    Die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, deren Verschulden er sich zurechnen lassen muss. Eine Anspruchsminderung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dem Geschädigten selbst eine Verletzung der Schadenminderungspflicht vorzuwerfen ist. Auch muss sich ein Geschädigter grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Fahrzeugs zufriedengeben.


  • Widerruf eines Darlehensvertrags: Ist die Nutzungsentschädigung steuerpflichtig?

    Ein Vergleichsbetrag, der als Nutzungsentschädigung aufgrund der Auflösung eines fehlerhaften Darlehensvertrags gezahlt wird, gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.


    Hintergrund

    Zur Finanzierung eines Hausgrundstücks nahm der Kläger im Jahr 2003 bei der X-Bank einen Kredit i. H. v. 245.000 EUR auf. Aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung wurde der Darlehensvertrag durch Zahlung der Restvaluta i. H. v. 126.718,54 EUR rückwirkend auf den 31.10.2014 beendet. Der am 27.1.2017 geschlossene Vergleich sah u. a. vor, dass die X-Bank dem Kläger einen Vergleichsbetrag i. H. v. 11.500 EUR zahlen musste.

    Die X-Bank unterwarf diesen Betrag bei der Auszahlung dem Kapitalertragsteuerabzug. In seiner Einkommensteuererklärung 2017 beantragte der Kläger die Rückerstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer, da keine Einkunftserzielungsabsicht seinerseits vorlag. Auch war er der Ansicht, dass nur dann ein Kapitalertrag vorliegen kann, wenn die gezahlten Darlehenszinsen niedriger sind als der von der Bank gezahlte Ersatz. Da dies nicht der Fall war, lag kein Kapitalertrag vor.

    Das Finanzamt vertrat dagegen die Meinung, dass in dem Nutzungsersatz, den der Kläger erhalten hat, immer dann ein Kapitalertrag zu sehen ist, wenn das Darlehen wegen mangelnder Widerrufsbelehrung rückabgewickelt wird und hieraus dem Darlehensnehmer ein Ausgleichsanspruch entsteht.


    Entscheidung

    Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht der Richter wurde die Nutzungsentschädigung zu Recht in voller Höhe als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt und der Abgeltungssteuer unterworfen.

    Unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeglicher Art. Erforderlich ist eine Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Ist dies geschehen, gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.

    Es ist höchstrichterlich geklärt, dass bei der Beendigung eines Darlehensvertrags wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen schuldet.



Juli 2021


  • Scheinrenditen: Abgeltungswirkung gilt auch bei nicht abgeführter Kapitalertragsteuer

    Auch bei Scheinrenditen, die bei einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt werden, tritt die Abgeltungswirkung einbehaltener Kapitalertragsteuer ein, auch wenn diese tatsächlich nicht abgeführt wurde. In diesem Fall mindert sich die Bemessungsgrundlage der aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer.


    Hintergrund

    Der Kläger A erzielte in den Jahren 2011 bis 2013 von der Firma des C Scheinrenditen aus Dividenden und Aktienverkäufen, die er nicht erklärte. C hatte ein betrügerisches Schneeballsystem mit fingierten Aktiengeschäften betrieben, das im Jahr 2013 aufflog. Er bescheinigte dem A erhebliche Gewinne aus Aktienverkäufen. Die Scheingewinne zahlte er teils aus, teils wurden sie scheinbar wieder angelegt. Auf den Abrechnungen wies C rechnerisch zutreffend den Einbehalt der Kapitalertragsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag aus. Die Kapitalertragsteuer wurde jedoch von C weder beim Finanzamt angemeldet noch an das Finanzamt abgeführt. Dies war A nicht bekannt.

    Nachdem das Finanzamt von den Kapitalgewinnen erfahren hatte, erließ es geänderte Bescheide. In diesen unterwarf es die Gewinne aus Aktienverkäufen und Dividendenerträge der Besteuerung. Da die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und abgeführt worden war, war das Finanzamt der Ansicht, dass die Gewinne nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen und damit die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs nicht eingetreten war. Darüber hinaus wurde die von C einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht angerechnet.

    Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und entschied, dass die als einbehalten ausgewiesene Kapitalertragsteuer auch dann Abgeltungswirkung entfaltet, wenn sie nicht abgeführt wurde. Im Anschluss an dieses Urteil minderte das Finanzamt die Bemessungsgrundlage für die von A erzielten Schein-Kapitaleinkünfte um die von C einbehaltene Kapitalertragsteuer.


    Entscheidung

    Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Scheinrenditen dem A in voller Höhe als Kapitaleinkünfte zugeflossen waren. Entgegen der Auffassung des Finanzamts sind sie jedoch nicht in die Steuerfestsetzung einzubeziehen, da die Einkommensteuer durch die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer abgegolten wurde.

    Die Kapitaleinkünfte aus den von C vorgetäuschten Gewinnen aus Aktienverkäufen sind dem A zugeflossen, zum einen durch Überweisung, zum anderen in Höhe der von C bescheinigten und durch fiktive Aktienkäufe wieder angelegten Scheinrenditen. Denn A konnte über die Beträge verfügen, da C in den Jahren 2011 bis 2013 leistungsbereit und leistungsfähig war.

    Die Bemessungsgrundlage der von A aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die von C einbehaltene Kapitalertragsteuer. Der Einbehalt der Kapitalertragsteuer erfolgte durch C als auszahlende Stelle mit abgeltender Wirkung für Rechnung des A als Gläubiger der Kapitalerträge. Dem A sind demnach auch die von C für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge zugeflossen.

    Die Scheinrenditen sind jedoch nicht der Einkommensteuer-Festsetzung zugrunde zu legen. Denn aufgrund des Einbehalts durch C unterlagen sie der Kapitalertragsteuer mit der Folge, dass die Abgeltungswirkung eingetreten ist. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass die Abgeltungswirkung erst dann eintritt, wenn die einbehaltene Kapitalertragsteuer beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird.

    Das Finanzamt bedient sich bei der Abgeltungsteuer mit dem Schuldner der Kapitalerträge (bzw. der auszahlenden Stelle) eines privaten Einbehaltungspflichtigen, der dem Steuerpflichtigen (Anleger) als verlängerter Arm der Finanzverwaltung gegenübersteht, sodass dieser die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nicht beeinflussen kann. Die sachgerechte Risikoverteilung gebietet demnach, dass der Fiskus den Ausfall der Kapitalertragsteuer zu tragen hat, wenn der Abzug ordnungsgemäß erfolgt ist, die Kapitalertragsteuer jedoch nicht an das Finanzamt abgeführt wird.

    Der Bundesfinanzhof vertritt die Auffassung, dass auch bei der Abgeltungswirkung auf die Sicht des Anlegers abzustellen ist. Wenn es bei Scheinrenditen für den Zufluss entscheidend ist, dass der Anleger davon ausgehen durfte, er hätte statt des "Stehenlassens" des gutgeschriebenen Betrags die Auszahlung verlangen können, muss es auch für die Abgeltungswirkung auf die subjektive Sicht ankommen. Konnte der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer daher abgegolten.



Juni 2021


  • Ausländische Kapitalerträge und Anrechnung auf die inländische Gewerbesteuer

    Wird ausländische Quellensteuer einbehalten, kann diese auf die inländische Gewerbesteuer angerechnet werden. Das gilt zumindest dann, wenn das entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen deren Anrechnung auf inländische Steuern vom Einkommen vorsieht.


    Hintergrund

    Die Klägerin ist eine GmbH, deren Geschäftszweck die Kapitalanlage ist. Die GmbH ist an 2 kanadischen Kapitalgesellschaften mit 0,22 % und 9,99 % beteiligt und erhielt von diesen Gewinnausschüttungen. Von diesen wurden kanadische Quellensteuern auf Kapitalerträge einbehalten. Die Klägerin begehrte die Anrechnung dieser Quellensteuern auf die Gewerbesteuer. Das Finanzamt lehnte vorliegend die Anrechnung ab, da es im Gewerbesteuerrecht keine Norm gibt, die die Anrechnung regelt. Auch handelt es sich bei der ausländischen Steuer um eine der Gewerbesteuer entsprechende Steuer.


    Entscheidung

    Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Anrechnung der einbehaltenen kanadischen Quellensteuer auf die Gewerbesteuer hat.

    Dividenden sind grundsätzlich steuerfrei, die außer Ansatz bleibenden Dividenden sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb jedoch wieder hinzuzurechnen, soweit diese nicht die Voraussetzung der Mindestbeteiligung von 15 % erfüllen.

    Dies ist bei den hier vorliegenden Beteiligungen mit 0,22 % und 9,99 % der Fall, sodass die steuerfreien Dividenden für gewerbesteuerliche Zwecke wieder hinzuzurechnen und folglich im Gewerbeertrag enthalten sind. Somit liegt eine Doppelbesteuerung im rechtlichen Sinne vor, denn Deutschland und Kanada erheben von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum eine gleichartige Steuer.

    Die Vermeidung dieser Doppelbesteuerung erfolgt nach Ansicht des Finanzgerichts dadurch, dass auf die deutsche Steuer vom Einkommen die kanadische Steuer auf Dividenden angerechnet wird.


  • Kapitalerträge können mit Erbschaft- und Einkommensteuer belastet sein

    Wird Kapitalvermögen geerbt und anschließend veräußert, kann es zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen. Dies führt nicht zwingend zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung.


     

    Hintergrund

    Der Kläger erbte Investmentanteile an einem Geldmarktfonds und entrichtete darauf Erbschaftsteuer. Bei der anschließenden Veräußerung behielt seine Bank entsprechend Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag im Rahmen der Abgeltungsteuer ein.

    Der Kläger beantragte eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, da die Stückzinsen sowohl der Erbschaftsteuer (30 %) als auch der Kapitalertragsteuer (25 %) unterlagen. Die Steuerbelastung lag damit über dem Spitzensteuersatz.


    Entscheidung

    Vor dem Finanzgericht hatte die Klage keinen Erfolg, sondern wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen hatte. Die Vorschrift des § 35b EStG zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, da sie lediglich die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer vorsieht. Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen, sind dabei nicht einzubeziehen.

    Das Finanzgericht ist nicht der Ansicht, dass der Gesetzgeber die Steuerermäßigung lediglich versehentlich nicht auf Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen, erstreckt hat. Auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ergab sich keine sachliche Unbilligkeit, da es um unterschiedliche steuerauslösende Tatbestände ging. Persönliche Billigkeitsgründe hatte der Kläger weder vorgetragen noch waren sie ersichtlich.



Mai 2021


  • Arbeitsunfall auf der Toilette: Versicherungsschutz endet an der Toilettentür

    Das Ausrutschen auf der betrieblichen Toilette ist kein Arbeitsunfall. Denn der Versicherungsschutz endet regelmäßig an der Tür, die zur Toilettenanlage führt.


    Hintergrund

    Die Klägerin war als Verkäuferin beschäftigt. Sie rutschte auf dem nassen Boden der Personaltoiletten aus, fiel und verletzte sich erheblich. Der Unfall passierte im Bereich der Schwelle zwischen dem Waschraum und dem Raum, von dem die Toilettenkabinen zugänglich waren.

    Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu zahlen. Ihrer Ansicht nach war die zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit, also der Aufenthalt im Vorraum der Toiletten, keine versicherte Tätigkeit. Der Versicherungsschutz endet regelmäßig mit dem Durchschreiten der Tür, die zur Toilettenanlage führt.


    Entscheidung

    Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht entschied, dass kein Arbeitsunfall vorlag.

    Entscheidend für die Frage, ob ein Versicherter zur Zeit eines Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Die für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz kommt in dem von der Rechtsprechung verwendeten Begriff der dem Unternehmen "dienlichen", "dienenden" oder "zu dienen bestimmten" Tätigkeit zum Ausdruck. Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung erfolgen und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sog. eigenwirtschaftlicher bzw. privatnütziger Tätigkeiten.

    Die Klägerin verrichtete im Unfallzeitpunkt nach Ansicht des Gerichts keine versicherte Tätigkeit. Denn der Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage stand in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Verkäuferin.

    Die Klägerin hielt sich im Unfallzeitpunkt nicht in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage auf, um damit eine Haupt- oder Nebenpflicht aus ihrem Arbeitsverhältnis als Verkäuferin zu erfüllen oder um ein eigenes, unternehmensbezogenes innerbetrieblichen Belangen dienendes Recht wahrzunehmen.

    Die Klägerin befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch nicht auf einem ausnahmsweise versicherten Weg zur Toilette. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht ein Versicherungsschutz für den Weg zur Toilette auf einem Betriebsgelände. Der Aufenthalt auf der Toilette selbst gehört jedoch zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, da sie unabhängig von einer betrieblichen Tätigkeit erforderlich ist. Zum Aufenthalt auf der Toilette zählt auch das Händewaschen und der damit verbundene gesamte Aufenthalt in allen zur Toilette gehörenden Räumlichkeiten, einschließlich des Waschbeckenraums. Daher endet der versicherte Weg an der Tür zur Toilettenanlage.


  • Defekter Notfallbremsassistent: Wer haftet bei einem Unfall?

    Wird durch ein technisches Versagen des Notfallbremsassistenten ein Pkw ohne ersichtlichen Grund abrupt abgebremst und fährt ein anderes Fahrzeug auf den Pkw auf, liegt darin zwar ein Verursachungsbeitrag für den Unfall, jedoch kein Verschulden.


    Hintergrund

    Die Klägerin fuhr mit ihrem Pkw auf der Autobahn, als dieses ohne ersichtlichen Grund plötzlich durch den Notfallbremsassistent gestoppt wurde. Ein direkt hinter ihr fahrender Lkw konnte nicht rechtzeitig bremsen und fuhr auf das Auto auf.

    Das Landgericht hatte der Klägerin nur ein Drittel des geltend gemachten Schadens zugesprochen.


    Entscheidung

    Das Oberlandesgericht kam dagegen zu dem Ergebnis, dass der Klägerin zwei Drittel ihres Schadens zu ersetzen sind. Denn der Unfall war durch den Lkw mitverursacht worden. Denn mitursächlich für die Kollision war der zu geringe Abstand des Lkws zum vorausfahrenden Pkw gewesen.

    Der Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen war schneller als 50 km/h unterwegs und hatte den Mindestabstand von 50 Metern unterschritten, den er auf der Autobahn zum vorausfahrenden Fahrzeug hätte einhalten müssen. Dass dieser Mindestabstand von dem Lastwagenfahrer nicht eingehalten worden war, hatten Sachverständige geklärt.

    Hinsichtlich des Lkw-Fahrers sei, so das Gericht, von einem Verschulden auszugehen, da er den erforderlichen Mindestabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 % unterschritten habe, der Abstand zum vorausfahrenden Pkw nur etwa 35 Meter betragen habe.

    Die klagende Autofahrerin musste sich aber ebenfalls einen Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, da sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke stark abgebremst habe. Da das abrupte Abbremsen der Klägerin aber unstreitig auf ein technisches Versagen bei ihrem Fahrzeug zurückzuführen war, treffe sie kein Verschulden. Im Ergebnis kam das Gericht zu einer Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu Lasten der Beklagten und zu einem Drittel zu Lasten der Klägerin.


  • Kleine Kratzer verschwiegen: Muss die Autoversicherung trotzdem zahlen?

    Will ein Versicherter Versicherungsschutz beanspruchen, muss er einen Neuschaden von eventuellen Vorschäden abgrenzen. Doch welche Schäden sind meldepflichtig? Und muss der Versicherungsnehmer die Versicherung über alle Kratzer am Fahrzeug auf dem Laufenden halten?


    Hintergrund

    Bei der Ausfahrt aus einem Hof berührte das Auto des Klägers und Versicherungsnehmers einen Pfosten und die darunter liegende Betonkante. Dadurch kam es zu zahlreichen Kratzern und Abrieben im Bereich der rechten vorderen und der hinteren Fahrzeugtür, am Seitenschweller und am Spiegel. Den Sachschaden bezifferte der Sachverständige auf 5.360 EUR.

    Die Versicherung stellte fest, dass es weitere Kratzspuren am rechten Kotflügel und im Bereich der vorderen rechten Fahrzeugtür gab, die nicht auf den Unfall zurückgeführt werden konnten. Sie weigerte sich deshalb, die Schadenshöhe anzuerkennen, weil eine Teilüberlagerung von Vor- und Unfallschäden vorlag.


    Entscheidung

    Das Oberlandesgericht folgte dieser Einschätzung nicht und entschied, dass die Versicherung den vom Sachverständigen festgestellten, unfallbedingten Schaden abzüglich des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts ersetzen muss. Zwar trage der Geschädigte die volle Beweislast für die Abgrenzung eines Neuschadens von Vorschäden. In diesem Fall habe der Sachverständige aber den Unfallverlauf bejaht und die Unfallschäden eindeutig von den Vorschäden abgegrenzt.

    Das Gericht erkannte in dem vorliegenden Fall auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht des Autofahrers. Denn dazu müsse dieser von der aufklärungspflichtigen Tatsache Kenntnis gehabt haben. Davon könne in diesem Fall nicht ausgegangen werden. Es sei nicht ersichtlich, ob und wann der Autofahrer die Kratzer auf der rechten Fahrzeugseite, die vom Sachverständigen als Vorschäden eingestuft wurden, bemerkt habe.

    Einem durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmer mussten diese Schäden nicht ohne Weiteres auffallen, so das Gericht. Von einem Autofahrer könne keine regelmäßige Sichtprüfung des Fahrzeugs auf Kratzer und Parkschäden verlangt werden.

    Selbst wenn der Mann vor dem Unfall vom Vorhandensein bestimmter Kratzer wusste, läge in deren Nichtangabe in der Schadensmeldung allenfalls eine leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung, so das Gericht. Denn die vom Sachverständigen als Vorschäden qualifizierten Kratzer seien optisch eher unauffällig.



April 2021


  • Phishing: Ausgleichsanspruch gegen die Bank auch bei Weitergabe der Daten

    Wer Opfer eines Phishing-Angriffs wird, hat gegenüber der Bank einen Ausgleichsanspruch. Dies gilt auch bei Weitergabe der Zugangsdaten zum Online-Banking an den Ehepartner, wenn dadurch keine erhöhte Gefährdung entstanden ist und sie nicht kausal für den Schaden war.


    Hintergrund


    Die Klägerin hatte bei der beklagten Bank ein Wertpapierdepotkonto eröffnet. Im Eröffnungsantrag hatte sie ausschließlich die E-Mail-Adresse ihres Ehemannes angegeben und als Telefonverbindung erkennbar die Mobilfunknummer ihres Ehemannes hinterlegt. Sie hatte jedoch nicht angegeben, dass sie die vollständige Verwaltung Ihres Kontos dem Ehemann übertragen hatte. Die Übermittlung der TANs erfolgte per SMS auf das durch den Ehemann der Klägerin genutzte Mobiltelefon.


    Im Frühjahr 2019 erfolgte eine Abbuchung von dem Konto i. H. v. fast 26.000 EUR. Diese Transaktion war weder von der Klägerin noch von ihrem Ehemann autorisiert, sondern war im Rahmen eines Phishing-Angriffs erfolgt. Die Klägerin forderte die Bank zum sofortigen Ausgleich ihres Kontos auf.


    Die Bank weigerte sich, da die Klägerin vertragswidrig ihre Kontodaten an einen Dritten, nämlich ihren Ehemann weitergegeben hatte. Dadurch wurde erst der Phishing-Angriff ermöglicht.


    In den dem Bankvertrag zu Grunde liegenden AGB war bestimmt, dass personalisierte Sicherheitsmerkmale geheim zu halten und Authentifizierungselemente so zu verwahren sind, dass sie dem Zugriff Dritter entzogen sind.


    Entscheidung


    Das Gericht sah dagegen die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch der Klägerin als erfüllt an. Zur Begründung führten die Richter aus: Der Zahlungsdienstleister hat im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs gegen den Kontoinhaber keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen und ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und das Zahlungskonto wieder auf den ursprünglichen Stand zu bringen, auf dem es ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang war.


    Diesem Ausgleichsanspruch der Klägerin stand kein Schadensersatzanspruch der Bank entgegen. Der Kontoinhaber ist dem Zahlungsdienstleister zum Ersatz des gesamten aus einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang entstandenen Schaden insbesondere dann verpflichtet, wenn der Kontoinhaber den Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung vertraglicher Pflichten oder vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments herbeigeführt hat.


    Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch lagen hier nicht vor. Die Weitergabe der Kontodaten an den Ehemann bewertete das Gericht nicht als grob fahrlässige Verletzung der vertraglichen Pflichten durch die Kontoinhaberin. Die Gefahr eines Phishing-Angriffs wurde durch die Weitergabe der PIN nicht erhöht.


    Gründe dafür, dass ein Angriff auf das Mobiltelefon des Ehemanns leichter oder wahrscheinlicher war als auf das Mobiltelefon der Klägerin selbst, waren nicht ersichtlich. Die Weitergabe der personifizierten Daten war deshalb nicht kausal für den eingetretenen Schaden, weil die Weitergabe die Gefährdungslage nicht erhöhte.


    Damit wurde der Phishing-Vorgang auf dem Konto der Klägerin von ihr nicht ursächlich herbeigeführt. Ein Schadensersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin schied damit aus.

  • Verkauf wertloser Aktien: Wann liegt Gestaltungsmissbrauch vor?

    Bei dem Verkauf wertloser Aktien liegt nicht automatisch ein Gestaltungsmissbrauch vor. Das gilt sogar dann, wenn sich der Verkäufer verpflichtet, vom Käufer ebenfalls wertlose Aktien zu kaufen.


    Hintergrund


    A erwarb im Jahr 2011 1.000 Aktien der X-Corp. für insgesamt 4.685 EUR einschließlich Anschaffungsnebenkosten. Nachdem die X in Konkurs geraten war und die Aktien erheblich an Wert verloren hatten, verkaufte A im Februar 2013 die Aktien für insgesamt 10 EUR (0,01 EUR pro Stück) an Y. Im Gegenzug erwarb er von Y wertlose Aktien.


    Im März 2013 wurden die Aktien aus dem Depot des A ausgebucht und in das Depot der Y übertragen. Die Bank behandelte den Übertrag wie eine Veräußerung und setzte zur Ermittlung der Kapitelertragsteuer und Solidaritätszuschlag die sog. Ersatzbemessungsgrundlage an, die bei 30 % der Anschaffungskosten wegen fehlenden Börsenpreises lag.


    A beantragte für das 2013 die Berücksichtigung des Verlustes aus dem Aktienverkauf i. H. v. 4.675 EUR (= 4.685 EUR ./. 10 EUR).


    Das Finanzamt sah darin einen Gestaltungsmissbrauch und lehnte die Anerkennung des Veräußerungsverlustes ab.


    Das Finanzgericht gab der Klage statt.


    Entscheidung


    Der Bundesfinanzhof entschied, dass hier kein Gestaltungsmissbrauch vorlag, und wies die Revision des Finanzamts zurück. Der Veräußerungsverlust des A ist steuerlich zu berücksichtigen und aufgrund seines Antrags im Rahmen der Antragsveranlagung mit Aktiengewinnen zu verrechnen. Ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO liegt nicht vor.


    "Veräußerung" i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bedeutet die entgeltliche Übertragung des (zumindest wirtschaftlichen) Eigentums auf einen Dritten. Das liegt hier vor. Das Eigentum der Aktien des A ging auf Y über, da sie aus dem Depot des A aus- und in das Depot der Y eingebucht wurden. Dieser Rechtsträgerwechsel war auch entgeltlich, da Y an A einen Kaufpreis von 10 EUR gezahlt hat. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist daher - entgegen der Auffassung des Finanzamts - weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig.


    Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung nur zum Schein erfolgte, liegen nicht vor. Zwischen A und Y bestand kein Näheverhältnis. Die Veräußerung ist somit als Vorgang zwischen fremden Dritten zu behandeln. Unerheblich ist auch, dass die Veräußerung der X-Aktien unter der Bedingung stand, dass A im Gegenzug (wertlos gewordene) Aktien der Y erwirbt. Das ändert nichts daran, dass hinsichtlich der X-Aktien des A ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat.


    A hat lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. A verfolgte das Ziel, sich von den (nahezu) wertlosen Papieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel war nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht die Veräußerung von Aktien ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. A hat daher nicht gegen eine gesetzlich vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Veräußerungsverluste werden ebenfalls vom Anwendungsbereich des § 20 EStG erfasst. Auch der Umstand, dass die Übertragung der (wertlosen) Aktien mit der Verpflichtung des Erwerbs wertloser Aktien verknüpft wurde, führt nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch.

  • Zum Wertverlust von Aktien infolge einer Insolvenz

    Eine "Veräußerung" der Aktien liegt vor, wenn die AG bei Vermögenslosigkeit im Register gelöscht wird und das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs erlischt. Werden die Aktien schon früher aus dem Depot des Steuerpflichtigen ausgebucht, wird der Tatbestand der Veräußerung schon zu diesem Zeitpunkt verwirklicht.


    Hintergrund


    X hatte im Jahr 2009 Aktien einer inländischen AG zu 0,94 EUR je Aktie erworben. Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet, wodurch die AG aufgelöst und im Rahmen des Insolvenzverfahrens abgewickelt wurde. Die Aktien wurden zum 31.12.2013 noch mit einem Kurswert von 0,029 EUR je Aktie im Depot des X ausgewiesen.


    X beantragte für das Jahr 2013, eine Verrechnung des Verlustes aus dem Wertverfall der Aktien (9.400 EUR) mit seinen im Jahr 2013 erzielten Aktienveräußerungsgewinnen.


    Das Finanzamt lehnte die Verrechnung ab. Denn der Verlust war im Jahr 2013 noch nicht zu berücksichtigen. Das Insolvenzverfahren war im Jahr 2013 noch nicht beendet, deshalb fehlte es an einem endgültigen Verlust der Werthaltigkeit der Aktien. Diese wurden dementsprechend nicht aus dem Depot des X ausgebucht. Das Finanzgericht folgte dieser Ansicht und wies die Klage des X ab.


    Entscheidung


    Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung des Finanzgerichts an und wies die Revision des X zurück. X hatte im Jahr 2013 noch keinen Aktienveräußerungsverlust erzielt. Denn sein Mitgliedschaftsrecht an der AG war nicht erloschen. Auch waren die Aktien nicht aus seinem Depot ausgebucht worden. Der Kursverfall als solcher bewirkte noch keine Verlustrealisation und konnte nicht einer Veräußerung gleichgestellt werden.


    Die gesetzlichen Regelungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG und des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG erfassen das zivilrechtliche Erlöschen des Mitgliedschaftsrechts des Aktionärs aufgrund Auflösung, Abwicklung, Beendigung und Löschung einer insolventen AG nicht unmittelbar. Insoweit besteht eine ausfüllungsbedürftige planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber bei Aktien, die nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden, ab 2009 alle positiven und negativen Wertveränderungen der Besteuerung unterwerfen will. Im Fall des insolvenzbedingten Untergangs des Mitgliedschaftsrechts des Aktionärs geschieht dies jedoch nicht. Diese Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG auf den Untergang von Aktien aufgrund einer insolvenzbedingten Beendigung und Löschung der AG zu schließen.


    Die analoge Anwendung bedeutet, dass das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs infolge der Vollbeendigung der AG erlischt. Erst dieser endgültige Rechtsverlust ist mit einer Veräußerung vergleichbar. Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Denn das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs erlischt erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, wenn die AG vermögenslos ist, im Register gelöscht wird und hierdurch als juristische Person erlischt. Zwar kann der Steuerpflichtige schon vor dem rechtlichen Untergang der Mitgliedschaft die Verfügungsmacht über die Aktien verlieren, wenn diese aus dem Depot ausgebucht werden. Vorliegend lag jedoch eine Ausbuchung der Aktien der AG aus dem Depot des X noch im Jahr 2013 nicht vor. Unerheblich war, dass schon mit Beginn des Insolvenzverfahrens feststand, dass mit einer Auskehrung von Vermögen an die Aktionäre nicht mehr zu rechnen war.


Februar 2021


  • Bausparvertrag: Wann fließen Bonuszinsen zu?

    Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag gelten erst dann als zugeflossen, wenn der Bausparer unter Auflösung seines Bausparvertrags auf das Bauspardarlehen verzichtet.


    Hintergrund


    Der Kläger hatte im Jahr 1995 einen Bausparvertrag abgeschlossen. In den allgemeinen Bedingungen war u. a. geregelt, dass der Bausparer einen Bonus erhält, wenn die Voraussetzungen der Zuteilung erfüllt sind und der Bausparer auf ein Bauspardarlehen verzichtet. Dieser Bonus wurde im Zeitpunkt der kompletten Auszahlung des Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto erst in diesem Zeitpunkt gutgeschrieben. Die Bausparkasse ermittelte den Bonus jährlich und hielt ihn auf einem separaten Bonuskonto fest. In seinen Einkommensteuererklärungen 2010 bis 2012 erklärte der Kläger die in den einzelnen Jahren auf seinen Bausparvertrag entfallenen Bonuszinsen. Im Jahr 2013 wurde dem Kläger der Bausparvertrag nebst Bonuszinsen ausbezahlt. In der Einkommensteuererklärung 2013 gab der Kläger lediglich die Bonuszinsen für das Jahr 2013 an. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der gesamte Auszahlungsbetrag i. H. v. 25.725,77 EUR erst im Jahr 2013 zugeflossen war. Der Kläger war dagegen der Meinung, dass die Bonuszinsen dann als zugeflossen gelten, wenn sie von der Bausparkasse auf dem jährlich fortgeführten Bonuskonto gutgeschrieben wurden.


    Entscheidung


    Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts gelten Einnahmen als in dem Jahr bezogen, in dem sie zugeflossen sind. Sie sind grundsätzlich dann zugeflossen, wenn der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann oder verfügt hat. Guthabenzinsen eines Bausparvertrags sind dann zugeflossen, wenn sie dem Bausparguthaben zugeschlagen worden sind. Da in den allgemeinen Bedingungen des Bausparvertrags geregelt war, dass die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto gutschrieben werden, gelten die Bonuszinsen auch erst in diesem Zeitpunkt als zugeflossen. Der Zeitpunkt, zu dem die Bonuszinsen auf dem Bonuskonto festgehalten wurden, zählte nicht als Zuflusszeitpunkt. Vielmehr handelte es sich hier um einen buchungstechnischen Vorgang, der die entsprechenden Beträge für den Fall festgehalten hat, dass der Bausparer deren Auszahlung in Anspruch nimmt. Darüber hinaus fehlte dem Kläger nach Auffassung des Gerichts der Anspruch auf die Bonuszinsen für die Zeiträume vor dem Jahr 2013. Einen Anspruch hätte der Kläger dann gehabt, wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif war und der Kläger auf das Bauspardarlehen verzichtet hätte. Zwar war die Zuteilungsreife bereits im Jahre 1999 gegeben, da sowohl die Mindestsparzeit von 22 Monaten erreicht wurde als auch das Mindestsparguthaben zu diesem Zeitpunkt eingezahlt war. Jedoch fehlte es an dem definitiven Verzicht des Klägers auf Auszahlung des Bauspardarlehens. Dieser erfolgte erst im Jahr 2013 mit der Auflösung des Bausparvertrags.

  • Kann bei Direktversicherungen die Fünftelregelung angewendet werden?

    Die Begünstigung einer Einmalzahlung durch die Fünftelregelung setzt voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob dies auch für Einmalzahlungen aus vorzeitig gekündigten Direktversicherungen gilt, war Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesfinanzhof.


    Hintergrund


    X erzielte im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und erhielt außerdem von einer Pensionskasse eine Einmalzahlung in Höhe von rund 26.000 EUR. Diese besteuerte das Finanzamt in vollem Umfang als sonstige Einkünfte.


    Der Einmalzahlung lagen 2 Rentenversicherungsverträge (Direktversicherungen) zugrunde, die die früheren Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für X abgeschlossen hatten und die durch Entgeltumwandlung finanziert wurden. Die Beiträge wurden nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt. Die Auszahlung der Altersrenten zugunsten des versicherten Klägers sollte im Jahr 2032 beginnen.


    Im Jahr 2015 wurden die Verträge zunächst beitragsfrei gestellt, später auf Wunsch des X gekündigt und mit Wirkung zum 1.1.2016 aufgelöst und ausgezahlt. Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Fünftelregelung ab.


    Das Finanzgericht gab der Klage statt. Denn die Auszahlung war seiner Ansicht nach atypisch, da wegen Unverfallbarkeit eine Kündigung eigentlich ausgeschlossen gewesen war. Außerdem entsprach die Auszahlung vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht dem typischen Ablauf von Altersvorsorge-Verträgen.


    Entscheidung


    Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der ermäßigte Steuersatz der Fünftelregelung erfordert – neben den "Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten" – zur Einschränkung des eher zu weit gefassten Wortlauts zusätzlich die "Außerordentlichkeit" der Einkünfte. Dabei ist das Kriterium der Atypik als entscheidend anzusehen. Die Begünstigung einer Einmalzahlung setzt danach voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob darüber hinaus in dem Vertrag die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt sich lediglich als ein Indiz dafür dar, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist.


    Dass nach den Vertragsbedingungen eine Kündigung nicht möglich war, führt für sich allein nicht zur Außerordentlichkeit. Im vorliegenden Fall lag in der Akzeptanz der Kündigung ein Aufhebungsvertrag. Ein solcher konnte zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) im Einverständnis der versicherten Person (X) auch ohne ausdrückliche Regelung in den Versicherungsverträgen geschlossen werden. Die Kündigung bzw. Aufhebung nach eingetretener Unverfallbarkeit der Anwartschaft widersprach auch nicht dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Die bereits unverfallbare Versorgungsanwartschaft des X wurde einvernehmlich durch die Auszahlung des Rückkaufswertes abgefunden.


    Die Frage der Atypik ist im Rahmen der betrieblich und steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge auf der Grundlage empirisch-statistischer Daten wertend zu beantworten. Für die wertende Beurteilung der Einmalzahlung ist auf sämtliche Versicherungsverträge abzustellen, die zu zu versteuernden Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen führen und die während der Geltung der im Streitjahr maßgebenden Rechtslage durch eine einmalige Kapitalabfindung bei Rentenbeginn oder vorzeitig durch Kündigung bzw. durch sonstige Vertragsauflösung mit der Folge einer Auszahlung des Rückkaufswertes beendet worden sind. Nicht einzubeziehen sind Altersvorsorgeverträge.


    Mangels statistischen Materials konnte der Bundesfinanzhof nicht beurteilen, ob es nur in atypischen Einzelfällen zur Kapitalabfindung bei Rentenbeginn bzw. zur vorzeitigen Beendigung von Versicherungsverträgen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch Kündigung oder sonstige Aufhebung verbunden mit einer Auszahlung des Rückkaufswertes kommt oder nicht. Dies wird das Finanzgericht im zweiten Gang feststellen müssen.


Januar 2021


  • Wann eine Bank für die Kunden steuerlich in Haftung genommen werden kann

    Kann ein Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers jederzeit widersprechen, wenn dieser die Kreditlinie überschritten hat, gelten eingehende Zahlungen als durch die Bank vereinnahmt. Dies kann zu einer Haftung nach § 13c UStG führen.


    Hintergrund


    Die insolvente D-GmbH unterhielt bei der Klägerin, der A-Bank, 3 Kontokorrentkonten und ein Avalkonto. Die Bruttoforderungen aus verschiedenen Ausgangsrechnungen aus dem Haftungszeitraum hatte die D-GmbH einzeln an die Klägerin abgetreten. Im Rahmen der Abtretungen waren auf dem Hauptkonto diverse Zahlungen eingegangen. Das Hauptkonto war zu dieser Zeit deutlich im Minus.


    Das Finanzamt nahm die Klägerin für Steuerschulden der D-GmbH in Haftung. Es begründete dies mit der deutlich überschrittenen Kreditlinie der D-GmbH. Zudem schien die Klägerin auf die Verwendung der eingegangenen Geldbeträge Einfluss genommen zu haben. Denn die Betriebsausgaben konnten nur noch beglichen werden, wenn zuvor eine Umbuchung von Einnahmen zwischen den Konten erfolgte.


    Die Klägerin wandte sich mit ihrer Klage gegen den Haftungsbescheid.


    Entscheidung


    Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Das ist hier die Klägerin als Abtretungsempfängerin von Forderungen unter den Voraussetzungen des § 13c UStG. Die Haftung greift unter weiteren Voraussetzungen u. a. dann, wenn der Abtretungsempfänger Gelder aus den abgetretenen Forderungen erhalten bzw. vereinnahmt hat.


    Bei auf einem Kontokorrentkonto eingehenden Gutschriften gilt: Ist die Kreditlinie bereits überschritten und kann das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers jederzeit widersprechen, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf eine eigene Verfügungsbefugnis hat, so ist von einer Vereinnahmung auszugehen.


    Der Gesetzeswortlaut setzt für eine Inanspruchnahme mittels Haftungsbescheid nicht voraus, dass seitens der Bank eine endgültige Vereinnahmung der Beträge erfolgt ist. Soweit die Bank nach Eingang von abgetretenen Beträgen weitere Verfügungen über das Konto – trotz der rechtlich bestehenden Möglichkeit – nicht verhindert, so ändert dies nach Auffassung des Gerichts nichts daran, dass die Beträge zunächst von der Bank vereinnahmt worden sind.


Dezember 2020


  • Wann eine Versicherungsleistung für schwere Unfallfolgen steuerpflichtig ist

    Zahlt eine Versicherung einem Unfallopfer Ersatz für den rein hypothetisch berechneten Erwerbs- und Fortkommensschaden, liegt keine steuerpflichtige Entschädigung als Ersatz für entgehende Einnahmen vor, wenn die Versicherungsleistung nicht als Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten Einkunftsquelle gedeutet werden kann. Die Bezeichnung als "Verdienstausfall" ist insoweit unerheblich.


    Hintergrund


    Die Klägerin erlitt im Jahr 2003 im Alter von 12 Jahren einen schweren Autounfall, der zu irreversiblen körperlichen und geistigen Folgeschäden führte. Sie wird zeitlebens nicht in der Lage sein, eine Ausbildung zu beginnen oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Nach langjährigen juristischen Auseinandersetzungen leistete die Versicherung des Schädigers im Jahr 2015 u.a. eine als "Verdienstausfall" bezeichnete Zahlung von 695.000 EUR.


    Das Finanzamt unterwarf diese als steuerpflichtige Entschädigung der ermäßigten Besteuerung nach der sog. Fünftel-Regelung.


    Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab. Denn die Versicherungsleistung war von den Beteiligten des Rechtsstreits ausdrücklich als "Verdienstausfall" und damit als Ersatz für entgehende Einnahmen bezeichnet worden.


    Entscheidung


    Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass die Versicherungsleistung kein Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten Einkunftsquelle ist. Dementsprechend sind die Rechtsanwaltskosten nicht als Werbungskosten, sondern als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.


    Bei einer Zahlung zum Ausgleich des Erwerbs- oder Fortkommensschadens ist zu prüfen, ob die Zahlung unmittelbar dazu dient, diesen Schaden durch den Ersatz steuerbarer und steuerpflichtiger Einnahmen zu ersetzen. Das bedeutet, dass zwischen Entschädigung und entgangenen Einnahmen eine kausale Verknüpfung bestehen muss. Andernfalls ist der Ersatz des Erwerbs- und Fortkommensschadens ebenso steuerfrei wie die durch ihn ersetzten Leistungen.


    Wird einem im Kindesalter Geschädigten auch ohne konkrete Erwerbsaussichten der Ersatz eines Erwerbs- und Fortkommensschadens unter dem Gesichtspunkt zugestanden, dass ein junger Mensch auf Dauer nicht ohne Erwerbseinkünfte sein wird, bedeutet dies nicht den Ersatz bestimmbarer Einnahmen, sondern den Ausgleich für den Verlust der abstrakten Chance, sich ein Erwerbsleben aufzubauen. Aus einem in einer solchen Schadensregulierung prognostizierten rein hypothetischen Erwerbsleben kann jedoch weder auf eine bestimmte Einkunftsart noch auf die Steuerbarkeit der hierbei lediglich abstrakt unterstellten Einkünfte geschlossen werden. Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer bestimmbaren Einkunfts- bzw. Erwerbsquelle der Klägerin und somit auch an der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen Entschädigung und entgangenen steuerbaren Einnahmen.